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23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

Titel: 23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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mich an. Ich hatte erklärt, sie nicht durchlesen zu wollen, und tat es auch nicht. Aber indem ich die Blätter einzeln durch meine Hände gehen ließ, blieb mein Auge doch zuweilen an dieser oder jener Stelle haften, und dann flog der zerknitterte Bogen so weit wie möglich fort von mir. Man sollte es kaum für möglich halten, mit was für Quatsch und Tratsch und Klatsch sich jenes sonderbare Wesen befaßt, welches denen, die es besitzen, weismacht, daß sie geistreich seien! Wenn der Ustad das alles wirklich durchgelesen hatte, so war es sicher eines der größten Wunder, daß er der Menschheit seine Liebe noch immer treu bewahrte. Es muß doch etwas Großes um die wahre, nicht geheuchelte, sondern wirklich aus dem Herzen wirkende Humanität sein, wenn sie die Kraft besitzt, auf ihrem allgemein menschlichen Standpunkte selbst gegen diejenigen Widersacher auszuhalten, die sich nicht scheuen, nur mit den Waffen des Sonderinteresses anzugreifen und dabei doch zu versichern, daß sie die Verfechter der allgemeinen Menschheitsrechte, des edlen Menschentums seien. Hinweg also mit diesen Elaboraten! Ich warf sie auf den Herd, zündete sie an, und als die Flamme emporschlug flog auch die ‚Rechtfertigung‘ hinein, die ganz ohne allen Grund geschrieben worden war.
    Nachdem ich mich hierauf noch einige Zeit mit den Werken des Ustad beschäftigt hatte, ging ich schlafen und wachte nicht eher auf, als bis draußen an meine Tür geklopft wurde. Daß man mich weckte, mußte eine sehr triftige Ursache haben. Ich stand auf und öffnete. Der Peder war es.
    „Verzeihe, Effendi, daß ich dich wahrscheinlich im Schlaf gestört habe!“ sagte er. „Es wird nicht lange dauern, so ist der Scheik ul Islam da.“
    „So zeitig? Woher weißt du es?“ erkundigte ich mich.
    „Ich sprach gestern abend noch mit dem Chodj-y-Dschuna. Er hielt es für gut, zu wissen, woran man sei. Darum ist er dann fortgeritten, in der Richtung nach Chorremabad. Er kam bis an den Grenzduar der Dschamikun und erfuhr, daß der Scheik ul Islam dort übernachte und heute mit dem frühesten Morgen aufbrechen wolle. Er gebot Verschwiegenheit und ist nun hier, weil du gewünscht hast, daß er anwesend sei. Sonst aber weiß niemand davon. Wirst du jetzt herunterkommen?“
    „Nein. Schicke mir das Frühstück herauf! Wer kommt alles mit?“
    „Es sind, Herren und Diener zusammen, fünfzehn Personen, alle sehr gut beritten und bewaffnet. Man hat ihnen dort im Duar gesagt, daß kein Fremder ohne die besondere Erlaubnis des Ustad bei uns Waffen tragen dürfe, sondern sie abzugeben habe, sobald er das Gebiet der Dschamikun betritt. Sie haben sich aber geweigert, dies zu tun.“
    „Nun, was dann? Hat man sie gezwungen?“
    „Nein. Man hat geglaubt, nicht streng verfahren zu dürfen, weil es der Scheik ul Islam sei. Natürlich werden sie auch hier am ersten Haus angehalten. Wenn du willst, werde ich sie unbedingt entwaffnen lassen. Wollen sie es sich nicht gefallen lassen, so mögen sie umkehren, und ich lasse sie von einer Reiterschar begleiten, bis sie über die Grenze sind.“
    „Recht so, Peder! So gefällst du mir! Es gibt keinen einzigen Menschen, vor dem wir Ursache hätten, uns zu fürchten, und Furcht ist überhaupt die größte Torheit, die ich kenne. Aber alles an seinem Ort und zu seiner Zeit! Faust gegen Faust, doch gegen List nichts anderes als eben auch wieder List! Wenn man mich vor der Schlauheit dieses Scheiks ul Islam warnt, werde ich mich hüten, wie ein dummer Bär mit Tatzen dreinzuschlagen. Und wenn wir fünfzehn Personen gleich am Eingang des Duar entwaffnen wollten, müßte ich so viele Dschamikun hinstellen, daß man sich sofort sagen müßte: die haben gewußt, daß wir kommen! Und grad das soll ihnen doch verheimlicht werden! Lassen wir es also laufen, wie es läuft! Ihr beide, nämlich du und der Chodj-y-Dschuna, habt sie mit allen Zeichen der Überraschung zu empfangen und in die Halle zu führen, wo ihr euch mit ihnen unterhaltet, bis ich komme.“
    „Soll ich dich holen lassen?“
    „Nein. Um die Ansicht, daß wir nichts gewußt haben, zu verstärken, sagst du, daß ich nicht daheim sei, sondern einen Spaziergang gemacht habe. Das werde ich auch tun, doch gar nicht weit. Ich sorge dafür, daß ich ihre Ankunft bemerke, und werde mich dann in der Halle einfinden. Jetzt geh! Also mein Frühstück möglichst schnell!“
    Er entfernte sich und schickte es mir sofort herauf. Als ich es eingenommen hatte, schloß ich bei mir zu und ging

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