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23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

Titel: 23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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gehorchen!‘ Auch hierunter der eigenhändige Namenszug und das Siegel, dessen Inschrift aus den Worten bestand: ‚Als Nasr-ed-Din das Siegel in die Hand nahm, erschallte der Ruf der Gerechtigkeit vom Mond bis zum Fisch.‘ Der Schah, bekanntlich ein eifriger Kalligraph, hatte diese Karte selbst gezeichnet und geschrieben, und sie war darum vorkommendenfalls selbst den Höchsten seines Reiches gegenüber eine Legitimation, welche zu sofortigem Gehorsam zwang.
    Hiermit besaß ich schon viel mehr, als ich für morgen brauchte, und schon wollte ich wieder gehen, da wurde die Tür geöffnet, und Pekala trat herein. Ihr Gesicht glänzte in der gewöhnlichen, ganz wie begeisterten Freundlichkeit, und es war ein höchst vertraulicher Ton, in dem sie sagte:
    „Ich sah den Schlüssel stecken, Effendi, und dachte mir gleich, daß du hier im Zimmer seist. Ich habe zwar keine Zeit, doch für dich immer, und so wollte ich dich fragen, ob ich dir das von meinem Aschyk sagen darf.“
    „Laß es hören!“
    „Und du wirst aber nichts verraten?“
    „Ist es denn ein Geheimnis?“ umging ich diese ihre Frage.
    „Ja, natürlich!“ antwortete sie wichtig. „Ich habe eine ganze Menge von Geheimnissen, von denen niemand etwas wissen darf. Dir aber sage ich vielleicht einige davon. Das notwendigste von ihnen allen sollst du jetzt gleich hören. Nämlich mein Aschyk kommt immer nach vier Wochen; das habe ich dir schon mitgeteilt. Kürzlich aber war er einmal außer dieser Zeit hier; das weißt du noch nicht. Kannst du vielleicht erraten, weshalb er kam?“
    „Nein. Sag es, und mach es so kurz wie möglich!“
    „Warum das? Ich spreche ja immer kurz, Effendi! Mein Aschyk hat nämlich beschlossen, mit unserem Ustad zu reden und ihm vieles mitzuteilen, was ihn vom Tod erretten kann.“
    „Wen erretten? Den Aschyk oder den Ustad?“
    „Den Aschyk; vielleicht aber auch beide; ich weiß es nicht genau. Ich soll dem Ustad sagen, daß er nächsten Sonntag kommen werde, grad um Mitternacht. Ich aber komme schon eine Stunde vorher mit ihm zusammen.“
    „Und hast du das dem Ustad mitgeteilt?“
    „Nein.“
    „Warum nicht?“
    „Weil – – – weil – – – weil ich mich vor ihm fürchtete.“
    „Vor mir aber nicht?“
    „Doch auch! Aber die Zeit verging; der Sonntag ist schon nahe, und wenn ich mich so weiter fürchte und nichts sage, so verliere ich meinen Aschyk. Er hat mir nämlich gesagt, daß er niemals wiederkommen werde, wenn ich nicht ganz gewiß dafür sorge, daß er mit dem Ustad sprechen dürfe. Darum habe ich mir endlich ein Herz gefaßt und diese Bitte zu dir gebracht, weil der Ustad nächsten Sonntag noch nicht wieder hier sein kann. Was sagst du nun dazu?“
    Sie wischte sich die feucht gewordene Stirn und atmete erleichtert auf. Es war ihr doch schwer geworden, sich an mich zu wenden.
    „Ist es denn dem Aschyk gleich, ob er mich oder den Ustad trifft?“ fragte ich.
    „Ich denke es. Du stehst ja an des Ustad Stelle, und da die Sache nicht aufgeschoben werden darf, so muß er einverstanden sein.“
    „Weiß noch jemand davon, daß er Sonntag kommt?“
    „Nein.“
    „Auch Tifl nicht?“
    „Tifl? Diesem Schwätzer darf man solche Dinge nicht mitteilen. Er weiß kein Wort!“
    Das war eine Lüge, wurde aber mit der ehrlichsten und aufrichtigsten Miene der Welt gesagt. Die kleinen Äuglein blickten mich dabei so offen, so treuherzig an, daß ich fast glaubte, mich besinnen zu müssen, ob ich mich nicht täusche.
    „Hat der Aschyk gesagt, an welchem Ort er mit dem Ustad zu sprechen wünscht?“ fuhr ich fort.
    „Nein. Das hast nun du zu bestimmen. Willst du mir sagen, wo?“
    „Heut noch nicht. Ich werde es dir noch rechtzeitig mitteilen. Und nun höre mich an! Du schweigst gegen jedermann, auch gegen Tifl! Wenn du einem einzigen Menschen sagst, daß dein Aschyk kommt, um mir etwas zu sagen, so rede ich nicht mit ihm und jage dich aus dem Haus!“
    „Effendi“, rief sie aus, indem sie erschrocken zurückfuhr. „Was machst du mir da für fürchterliche Augen. Du hast ja plötzlich ein ganz anderes Gesicht!“
    „Das ist mein Gesicht, wenn ich mir etwas vornehme, was ich unbedingt auch ausführe. Du hast es noch nicht gesehen. Hüte dich vor der Wiederkehr! Wenn du nicht schweigst, lasse ich dich noch mitten in der Sonntagsnacht über die Grenze schaffen, ohne zu fragen, was dann aus dir wird! Verstanden?“
    „Ja, ja, ganz genau!“ versicherte sie, vor Schreck in sich zusammenkriechend.

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