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23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV

Titel: 23 - Im Reiche des silbernen Löwen IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Dunkel auf, gehorsam zu sein. Es begannen Fackeln zu leuchten, von fröhlichen Kindern im Duar herumgetragen. Hierauf strebten auf der stehengebliebenen, vorderen Zyklopenmauer, zu beiden Seiten des heut entstandenen Kirchenplatzes, zwei gewaltige Flambeaus in die Höhe, von mächtigen Holzstößen erzeugt, welche Schakara hier hatte aufhäufen lassen, um den Bereich der Vernichtung zu illuminieren. Das gab eine solche Fülle von Licht und tagesähnlicher Helle, daß die Finsternis enteilte und, sich in ängstlich zitternde Schatten auflösend, an der Bergwand emporkletterte. Und mitten aus diesem häßlichen, zappelnden Schreck trat in erhabener Schönheit und imponierender Ruhe die makellose, herrliche Gestalt des Gebetes hervor, einer Offenbarung gleich, einer Manifestation der frohlockenden Menschheitsseele. Der Eindruck dieser Erscheinung war so unmittelbar packend und so unwiderstehlich, daß der Ustad sein Pferd anhielt, auch dem meinigen in den Halfter griff und, aber nur leise, sagte:
    „Halt – warte! Laß die andern fort; sie stören!“
    Sie ritten weiter. Wir aber stiegen ab und standen lange, lange, in die Gedanken versunken, oder richtiger, die Gedanken förmlich atmend, mit denen uns die Seele des aus dem Fluch erlösten Gegners überflutete.
    „Mein liebes, kleines, längst gewünschtes Kirchlein!“ unterbrach der Ustad endlich und tief aufatmend unser Schweigen. „Nun kann und darf ich dich wohl endlich bauen! Ich habe nichts, gar nichts hinwegzuräumen vom Platz, den ich mir dachte; ein anderer tat es für mich. Die Wasser der Bassins sind in den See gewichen und werden dort verbleiben. Die versunkenen Quader geben mir den allerbesten Grund. Die riesigen Würfel und Rundstücke zu den Pfosten und Säulen der Halle sind zwar aus dem Neuen herzustellen, doch ist hier überall das reichste Material dazu vorhanden. Aufs leere Postament wird dieses Bild gehoben, und wenn dann meine Dschamikun begreifen, daß Beten eine Kunst, und zwar die allerhöchste ist auf Erden, obgleich Natur sie schon den Kindern lehrt, so ist die Einsicht und Erkenntnis da, selbst mit dem kleinsten Kirchlein gern fürlieb zu nehmen. Schon sehe ich den Ort der Andacht ragen, der zeigen soll, wie groß, wie groß der Herr, wie aber winzig, winzig klein das arme Menschlein ist. Schon höre ich dort am Berg die Glocken hell erklingen, die übers ganze Tal – horch!“
    Er hielt inne, denn hinter uns waren die Freudensalven zu hören, mit denen die heimkehrenden Krieger den im Wiederschein der Flammen strahlenden See und den schimmernden Duar begrüßten: Darum schwangen wir uns wieder auf und eilten, den letzteren zu erreichen. Wir hielten dort gar nicht an, sondern ritten direkt hinauf zum Haus. Noch vor dem Tor holten wir Dschafar und Kara mit dem Kurier und dem Aschyk ein, die sich unten etwas verweilt hatten. Im Hof angekommen, wurden wir von der noch immer hier postierenden Besatzung mit Jubel begrüßt und erfuhren, daß die Katastrophe auf dieser Seite des Berges nicht den geringsten Schaden angerichtet habe. Der Kurier wurde diesen Leuten als Gast übergeben. Der Ustad ließ die Truhe nach seiner Wohnung tragen und folgte auf dem Fuße hinterher, so wichtig war sie ihm. Dschafar ging nach der seinigen, um sich umzukleiden, denn wir hörten, daß ein festlicher Schmaus für uns und die sämtlichen Anführer vorbereitet werde. Kara eilte zu Vater und Mutter. Er wollte zwar vorher die Pferde besorgen, doch nahm ich das auf mich; der Aschyk half mir dabei.
    Als wir sie durch den Hof und nach der Weide führten und dabei an der offenen Küche vorüberkamen, sah ich, daß da drin die in der Kochkunst wohlerfahrene Frau des Chodj-y-Dschuna als heutige Gebieterin waltete. Sie hatte das große Werk übernommen, den Hunger aller unserer Diplomaten und Feldherren zu befriedigen. Schakaras Aufgabe aber war gewesen, ‚die prunkende Tafel zu decken‘. Da ich sie nicht sah, so vermutete ich sie in der Halle, wo gegessen werden sollte.
    Ich überließ die andern Pferde dem Aschyk, versorgte nur Syrr und ging dann hinauf zu mir, nicht durch das Haus, sondern von außen. Noch hatte ich die Plattform nicht erreicht, so sah ich Schakara, welche oben an den Stufen stand, mich zu begrüßen. Wie kam es doch, daß wir einander nur die Hände reichten und nichts dazu sagten? Sie zog mich zur Balustrade und zeigte hinab, auf das Gebet. Wir sahen es von hier aus in noch vollerer Gestalt als von unten, auch den Sockel. Warum erschien es mir

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