251 - Der Taratzenkönig
sie durch die stinkende Brühe waten.
Egal, welche Gänge, Quartiere und Wohnkuppeln der unterirdischen Stadt sie auch passierten, sie sahen immer das Gleiche: Der Bunker war so gut wie leer geräumt. Die Technos hatten nichts dagelassen, was irgendwie von Bedeutung gewesen wäre. Das galt auch für die Waffenkammern.
Noch ahnten die Taratzen nicht, dass es sich bei den leeren Räumen um die Waffendepots gehandelt hatte. Aber bald schon würden sie erkennen, dass es hier unten nichts zu holen gab, was ihrem König nutzen konnte. Dann musste sich Rulfan etwas einfallen lassen. Wenn er ihnen keine Waffen präsentieren konnte, würden sie ziemlich ungehalten reagieren. Auf Traysis Beeinflussungskünste verließ er sich besser nicht mehr.
Im Bereich der Wohnkuppeln hielt Rulfan plötzlich inne. Sir Leonard Gabriel las er an einer Tür. Die war, im Gegensatz zu den meisten anderen, geschlossen. Auch hier gab es ein Zahlenschloss.
Vaters Privaträume , dachte Rulfan mit einem leisen Schaudern. Als Prime hatte er Anspruch auf ein gesichertes Quartier gehabt.
Auch diesen Code kannte Rulfan noch; schließlich war er bei seinem Vater ein- und ausgegangen. Er gab ihn ein - die Tür öffnete sich.
In Sir Leonards Quartier schien alles noch unberührt: Kleider, persönliche Dinge, Ausrüstungsgegenstände, Medikamente - und sogar Waffen: fünf Laserphasengewehre und drei Laserpistolen!
Als die Technos von hier fort gegangen sind, haben sie die Laserwaffen zurückgelassen, weil sie wegen des EMP eh unbrauchbar waren. Und als die Demokraten später den Bunker ausgeräumt haben, kamen sie nicht in Vaters Privaträume…
Rulfan wollte sich eines der Gewehre greifen, die fein säuberlich nebeneinander in einem Gewehrständer standen. Eine Taratzenklaue schlug seine Hand weg. Drei seiner haarigen Begleiter drängten sich zwischen ihn und die Waffen.
Sollte er es auf einen Kampf ankommen lassen? Nein. Selbst mit einer Waffe hatte er gegen zehn Taratzen keine Chance.
Die Taratzen nahmen die Laserwaffen an sich und grunzten zufrieden. Traysi sah nun noch ratloser drein. Die Bestien reagierten eindeutig nicht mehr auf ihre Beeinflussung!
In diesem Augenblick schrak die junge Frau zusammen. Ihr Kopf fuhr herum. Zwei Sekunden später waren von dort, wohin sie starrte, Geräusche zu vernehmen. Und dann kam Hrrney um die Ecke! Mit weiteren zwanzig bis dreißig Taratzen!
Rulfan spürte ein Kribbeln am ganzen Körper, als das Monster, das bis zur Decke reichte, ihn aus tückisch funkelnden Augen anstarrte. Langsam schob es sich näher.
»Ah, Gewehrre«, krächzte Hrrney.
»Gut gemacht, Rulfan, ssehrr gut. Du zzeigsst unss, wie ssie funktionieren.«
»Hallo Honey. Schön, dich zu sehen.« Traysi blickte die Riesentaratze mit fast panischem Flackern in ihren Augen an. Und versuchte gleichzeitig, sie zu beeinflussen.
Hrrneys Kopf flog herum. Hasserfüllt zischte er etwas. Und verpasste Traysi einen mächtigen Schlag mit seiner langen Vordertatze.
Sie wurde durch den ganzen Raum geschleudert, riss eine Taratze mit, brachte eine zweite ins Straucheln, fiel über eine kleine Kommode und knallte gegen die Wand dahinter. Langsam rutschte sie daran herab, blieb aber bei Bewusstsein. Schwer atmend starrte sie auf den Taratzenkönig. Unter ihrer Gesichtsmaske lief ein dünner Blutfaden hervor.
Auf Hrrneys Befehl zogen zwei Taratzen sie hoch und schleppten sie vor den König. Traysi wollte nicht in deren Griff hängen und hielt sich mühsam auf den Beinen.
»Das wirrsst du nie wiederr tun, Trrayssi«, zischte Hrrney. »Merrke sschon ssseit Tagen, dasss du in meinen Geisst kommsst und mirr Befehle geben willsst. Mirr, dem Tarratzzenkönig!« Wieder fauchte er wütend. »Lebsst nurr noch, weil du den Errdmann dazzu brringen ssoltesst, den Bunkerr fürr unss zzu öffnen und Waffen zzu bessorrgen. Hasst du jetzzt getan.«
Rulfan erstarrte innerlich. Dieser Hrrney war noch wesentlich intelligenter als vermutet. Eine strategisch denkende Riesentaratze - die erkannt hatte, dass Traysi ihm jetzt nicht mehr von Nutzen war! Was zweifellos ihr Todesurteil bedeutete. Er selbst würde noch eine Weile weiterleben dürfen, bis er den Taratzen in der Benutzung der Waffen unterwiesen. Wenn sie merkten, dass er das niemals tun würde, waren auch seine Stunden gezählt.
Fieberhaft überlegte er, wie Traysi und er entkommen konnten.
Drei Schritte von ihm entfernt stand eine Taratze mit einem LP-Gewehr. Wenn er das an sich bringen könnte… aber wie?
Die
Weitere Kostenlose Bücher