2722 – Altin Magara
sei es mit Gewalt; sie immunisieren sich gegen Kritik; und sie sind in der Regel so vage, vieldeutig oder verschwurbelt formuliert oder pseudobegründet, dass sie sich gar nicht testen lassen. Was aber (von Mathematik und Logik natürlich abgesehen) empirisch nicht widerlegt werden kann, ist auch nicht intersubjektiv wahrheitsfähig. Plakativer ausgedrückt: Was nicht falsch sein soll und kann, ist niemals richtig.
Eine widerlegte »schöne« – nach dem Geschmack vieler Kosmologen freilich eher hässliche – Hypothese ist die eines riesigen Lochs im All. Dessen Existenz hätte ein großes Rätsel gelöst, das nun weiter am Himmel prangt. Dieses Beispiel, auf den folgenden Seiten ausführlich beschrieben, statuiert auch ein Exempel für einen erfolgreichen Forschungsprozess. Und es zeigt, dass selbst sehr exotische Hypothesen – wie etwa Spekulationen über die Existenz anderer Universen – ein seriöser Gegenstand der Wissenschaft sein können.
So hat nämlich Laura Mersini-Houghton vermutet, dass andere Universen in unserem gleichsam einen »Abdruck« hinterlassen haben könnten – beispielsweise in Form eines gewaltigen Lochs zwischen den Galaxienhaufen. Mit der aus Albanien stammenden und in den USA und England forschenden Kosmologin habe ich übrigens letztes Jahr ein Fachbuch herausgegeben: The Arrows of Time – A Debate in Cosmology (Springer 2012). Darin schreiben international renommierte Experten aus Europa und den USA zu den Themen Zeit, Zeitrichtung, Urknall und anderen Universen. Das Buch ist allerdings nur für Experten gedacht und verständlich.
Die Vorstellung vom Abdruck eines anderen Universums ist eine kühne Hypothese – die durch die vermeintliche Entdeckung eines riesigen Leerraums im Sternbild Eridanus einiges an Gewicht bekam. Aber durch eine »hässliche Tatsache« auch wieder verlor: Dieses Loch ist nämlich gar nicht vorhanden. Das heißt selbstverständlich nicht , dass es keine anderen Universen gibt ( ob es sie gibt, müsste freilich erst erwiesen werden!). Es heißt auch nicht , dass Laura Mersini-Houghtons Hypothese nun bereits widerlegt ist, zumal sich ihre weiteren Vorhersagen zu bestätigen scheinen (doch das ist eine andere Geschichte). Es zeigt aber, dass sich Wissenschaft nach Tatsachen richten kann, soll und muss – und keine bloße und beliebige Wortakrobatik ist.
Ad astra!
Rüdiger Vaas
Der Rätselfleck am Himmel
Was steckt hinter – oder vor – dem mysteriösen Kältepol im Sternbild Eridanus?
Ist er Zufall, eine Gefahr für das kosmologische Standardmodell oder aber der Vorstoß zu einer neuen Physik?
Von Rüdiger Vaas
Sie ist zwanzigmal so groß wie der Vollmond und doch für unsere Augen unsichtbar: eine kühle Stelle am Himmel, die Astrophysiker grübeln lässt. Denn sie dürfte dem gut bewährten Standardmodell der Kosmologie zufolge gar nicht existieren. Doch was Skeptiker erst als Messfehler abtaten und andere kühn als die erste Spur eines fremden Universums interpretierten, widersetzt sich hartnäckig einer Erklärung. Fest steht inzwischen, dass die seltsame Struktur real ist. Doch eine erste plausible – wenn auch sehr beunruhigende – Deutung stürzte unter dem Ansturm neuer Daten in sich zusammen. Während Theoretiker weitere Spekulationen anstellen, versuchen Beobachter dem eigenartigen Phänomen mit noch genaueren Methoden auf die Spur zu kommen.
Schimäre oder Sensation? Die Spannung steigt!
Kosmische Krise?
Hole in the Sky heißt ein Song, den die britische Heavy-Metal-Band Black Sabbath 1975 veröffentlicht hat. Im selben Jahr wurde Patricio Vielva geboren, der Hinweise auf ein Loch im Himmel von unvorstellbarem Ausmaß entdeckt hat. So schien es zumindest: Bis zu 900 Millionen Lichtjahre weit soll sich der gigantische Leerraum zwischen den Galaxienhaufen erstrecken. Er wäre nicht nur im räumlichen Sinn eine der größten Entdeckungen aller Zeiten, sondern er könnte das gut etablierte Gebäude der modernen Kosmologie in eine schwere Krise stürzen.
Aber der Reihe nach.
Zur ersten Irritation kam es 2003. Damals analysierte Vielva mit Marcos Cruz und anderen Kollegen der Universität von Kantabrien im spanischen Santander Messungen der Raumsonde WMAP (Wilkinson Microwave Anisotropy Probe). Sie war am 30. Juni 2001 gestartet und scannte mehrfach den gesamten Himmel im Mikrowellenbereich. Das Ergebnis: die bis Anfang 2013 genaueste Karte der sogenannten Kosmischen Hintergrundstrahlung.
Relikt aus der
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