2726 - Totentanz
anderen. Einer schlug aus Versehen mit dem Gesicht gegen die unsichtbare Wand; ein Blutfleck blieb zurück, der in der Luft zu schweben schien.
»Unsere Jugend«, sagte eine Stimme hinter Schechter, die genauso einem Mann wie einer Frau gehören konnte. Oder einer Positronik. »Waren wir früher auch so unbekümmert?«
Er wandte sich um. Vor ihm stand jemand, der ein tiefblaues Kapuzengewand trug. Der Stoff hing sackartig über dem Körper und verbarg dessen Konturen. Die Gestalt war groß, sicher zwei Meter, vielleicht noch einige Zentimeter mehr. Die Kapuze hing weit über die Stirn, doch nicht nur sie kaschierte das Gesicht. Ein optisches Verzerrerfeld lag davor.
Dies war der Junker, der oberste Leiter des innertefrodischen Widerstands. Schechters oberster Auftraggeber für den Mord an Tamaron Vetris Molaud. Wo sonst als in Apsuteris konnte sich jemand wie der Junker in seiner Verkleidung unauffällig bewegen? Kein Wunder, dass er diesen Ort für ein Treffen gewählt hatte.
»Ich war nie unbekümmert«, antwortete Schechter etwas verspätet auf die Frage. Er dachte an seinen ersten Mord, den er im Kindsalter begangen hatte. Es war der Mörder seiner Schwester gewesen. Nein, unbekümmerte Zeiten kannte er nicht.
»Caus-Iver hat mir mitgeteilt, dass du mich sprechen willst«, kam der Junker zur Sache. Caus-Iver gehörte ebenfalls zum Widerstand; er war der Chefmediker im Tamanischen Heilkunsthaus, das Schechter derzeit als Unterschlupf diente, in diesen letzten Tagen vor dem Attentat auf Vetris. »Ich habe dafür gesorgt, dass niemand mithören kann, also sprich offen. Bist du mit deiner Tefroder-Verkleidung nicht zufrieden?«
»Doch, natürlich. Sie passt, als wäre sie mir auf den Leib geschneidert.« Was daran lag, dass Caus-Iver sie ihm tatsächlich auf den Leib geschneidert hatte – mehr noch, er hatte den Tomopaten chirurgisch einem Tefroder angeglichen. »Mir geht es um etwas anderes.«
»Ich höre.«
»Ich arbeite an einem neuen Plan für das Attentat. Deiner hatte eine entscheidende Schwäche.«
»Welche?«
»Er taugt nichts. Ich habe eine Simulation durchgespielt. Sie endete mit meinem Tod. Deshalb machen wir es nun so, wie ich es gern hätte.«
Der Junker musterte Schechter. Zumindest vermutete der Tomopat das, denn das Verzerrerfeld ließ natürlich nichts dergleichen erkennen. »Darf ich ehrlich sein? Mir ist es gleichgültig, wie du das Attentat ausführst. Hauptsache, es endet mit dem Tod unseres verehrten Hohen Tamrats.«
»Das wird es. Aber dazu benötige ich Informationen.«
»Was willst du wissen?«
»Was weißt du über andere geplante Anschläge? Bei Vetris' Beliebtheit in manchen Kreisen darf ich wohl davon ausgehen, dass ich nicht der Einzige sein werde, der ihm ans Leben will. Sosehr dieser Mann geliebt und verehrt wird, sosehr wird er auch gehasst.«
Der Junker wandte sich zu den Jugendlichen um und beobachtete sie eine Weile bei ihrem Treiben. »Es sieht spektakulär aus, was sie da tun, nicht wahr? Wie sie sich scheinbar ins Nichts stürzen und dennoch auf sicherem Untergrund landen. Spektakulär, aber ungefährlich. Doch das ist ein Trugschluss.«
»Tatsächlich?« Schechter fragte sich, worauf die Gestalt im Kapuzengewand hinauswollte.
»Die Prallfeldaggregate sitzen in regelmäßigem Abstand etwa zwei Meter unterhalb der Felskante. Tagein, tagaus sind sie Wind und Wetter ausgesetzt. Und der salzhaltigen Luft der See. Trotz aller Technik ist es bisher nicht gelungen, die Aggregate völlig davor zu schützen. Vor allem das Salz erwies sich als sehr aggressiv. So kann es gelegentlich vorkommen, dass das Prallfeld für einen Augenblick flackert oder gar aussetzt.«
»Tatsächlich?«, wiederholte der Tomopat. Das mochte ja faszinierend sein, aber es war auch völlig irrelevant.
»Wenn einer der Kerle im falschen Moment springt und eine Lücke erwischt, liegt zwischen ihm und seinem Tod nur noch ein hundert Meter tiefer Fall. Wenige Sekunden voller Verblüffung und vielleicht auch Faszination.«
»Warum tun sie es dann?«
Der Junker sah Schechter an. »Um sich vor den anderen zu beweisen. Um ihren Respekt zu gewinnen.«
»Und nun die entscheidende Frage: Wieso erzählst du mir das?«
»Um ein Ziel zu erreichen, muss man manchmal ein Risiko eingehen.«
»Du meinst, mir etwas über andere Attentäter zu sagen, sei ein Risiko?«
»Wir wissen von jemandem, der möglicherweise einen Anschlag plant. Ein Flottenoffizier und ehemaliger Agent der Gläsernen Insel. Vor über
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