284 - Augen der Ewigkeit
hatte, so wie ihn vor über zehn Jahren? Aber das konnte ihr Wissen, das aus verschiedenen Epochen stammte, nicht erklären - es sei denn, sie hatte mit ihren neunzehn Jahren schon eine Unmenge an Literatur mit einem fotografischen Gedächtnis gespeichert, das sie in den verschiedensten Situationen abrufen konnte.
Darüber hinaus redete sie fast jede Nacht im Schlaf. Und nicht immer in Sprachen, die Matt auch verstand. Sie stieß Begriffe aus, die ihm vertraut waren, aber sehr häufig auch welche, mit denen er nichts anfangen konnte. Unter anderem dieses eine Wort: Agartha. Matt war sicher, es irgendwann schon einmal gehört zu haben. Aber so sehr er sich auch das Hirn zermarterte, er kam nicht darauf, was es bedeutete.
In seiner Verzweiflung hatte er auch Rulfan bei ihrer letzten Begegnung auf Canduly Castle danach gefragt, doch der Albino hatte nur den Kopf geschüttelt.
Ein wohliges Gefühl durchströmte Matt, als er an den Besuch bei Rulfan dachte, denn dabei hatte er endlich seine verschollene Tochter Ann gefunden. Wie erleichtert war er gewesen, ihr berichten zu können, dass ihre versteinerte Mutter und auch Pieroo wieder zu Leben erwacht waren.
Natürlich hatten sie die Kleine sofort nach Corkaich gebracht. Matt war glücklich, Ann in Jennys Obhut zu wissen. Dort war sie in Sicherheit und nicht den Gefahren ausgesetzt, die sein Leben bestimmten.
Anschließend waren sie noch einmal über Canduly Castle gefahren, um Rulfan von der gelungenen Familienzusammenführung zu berichten, doch sie trafen den weißhaarigen Barbaren nicht mehr an. Er war mit einem selbstgebauten Luftschiff unterwegs nach Guernsey, um dort nach der Techno-Enklave und seinem Vater zu sehen. Also hinterließen sie bei Myrial, Rulfans Lebensgefährtin, eine Nachricht, dass sie Richtung Osten fuhren, auf der Spur des abgestürzten Raumschiffs.
»Willst du nicht langsam mal ausweichen?«
Aruulas Stimme holte ihn in die Gegenwart zurück. Auf dem Monitor entdeckte er einen gewaltigen Baum - auf den er geradewegs zuhielt.
Im letzten Moment gelang es ihm, die Steuerung herumzureißen und PROTO an dem Hindernis vorbei zu steuern. Als sich sein Herzschlag halbwegs beruhigt hatte, musste er sich eingestehen, dass er fürchterlich müde war. Er konnte kaum noch die Augen offenhalten. Außerdem würde ohnehin bald die Nacht hereinbrechen.
Er fuhr noch zehn Minuten, dann stoppte er den Amphibienpanzer. »Schluss für heute«, verkündete er.
Ein Blick auf den Monitor verriet ihm, dass sie auf einem zumindest teilweise baumfreien Hügel standen. Von hier aus hatten sie gute Sicht auf einen dichten Wald, zwischen dessen Wipfeln eine schwarze Kuppel in die Höhe ragte. Auf der Spitze thronte ein Wetterhahn.
Ein Burgturm? Vermutlich.
Matt kannte sich in Belgien nicht gut genug aus.
Vielleicht sollte ich Xij fragen. Sie weiß ja auch sonst alles!
Wenn er ehrlich war, interessierte es ihn aber kein bisschen. Nicht einmal wenn das Dach aus purem Gold und der Wetterhahn aus einem Grillhähnchen bestanden hätte.
Nichts konnte es im Augenblick mit den Lockungen seiner Koje aufnehmen.
***
Havré, Belgien, Januar 2011
Roger Milan stand am Panoramafenster seiner Villa und blickte auf das ziegelrote Château d'Havré einen guten Kilometer westlich seines Anwesens. Das Verbindungsgebäude zwischen den beiden Türmen war längst eine Ruine, dennoch bot das gesamte Gemäuer einen majestätischen Anblick. Erst vor kurzem hatte man den verrosteten Wetterpfeil auf dem Hauptturm durch einen kupfern schimmernden Wetterhahn ersetzt. Errichtet war die kleine Burg mitten in einem Teich, zugänglich nur über eine schmale Brücke, gerade mal breit genug für ein Auto - wobei man trotz der schweren Kettengeländer auf allzu hektische Lenkbewegungen verzichten sollte, wenn man seinen Wagen nicht unter Wasser parken wollte. Das Gemäuer spiegelte sich im Wasser, was dem Bild eine traumhafte, malerische Note verlieh.
Milan liebte diesen Anblick. Und er genoss ihn Tag für Tag.
Solange er es noch konnte.
Er hörte ein schüchternes Klopfen an der Tür. Mit Mühe riss er seinen Blick vom Château d'Havré los und drehte sich um. »Herein!«
Claire, das Hausmädchen, trat einen Schritt in den Salon. »Doktor Cormand wünscht Sie zu sehen.«
Milans Herz setzte ein oder zwei Schläge aus und raste danach umso schneller weiter. Eine Hitzewoge ließ seine Wangen glühen. Den ganzen Tag hatte er auf die Ankunft seines Arztes gewartet. Auf die Nachricht, ob Hoffnung
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