2950 - Es ist nie zu spät zum Sterben
Phil und ich wechselten einen kurzen Blick. Mein Partner hatte offenbar denselben Gedanken.
»Haustür ist offen«, meldete ich per Headset an die anderen.
»Entweder war schon jemand vor uns bei Cruz zu Besuch – oder der Anrufer wollte uns auf den Arm nehmen«, kam es von Steve Dillaggio aus dem Ohrhörer. Der Italoamerikaner mit den flachsblonden Haaren hatte in diesem Fall die Einsatzleitung.
»Es gibt Einbruchsspuren am Schloss«, meinte Phil unterdessen. Ich konnte die aus meinem Blickwinkel nicht erkennen.
Phil und ich hatten uns rechts und links der Tür postiert.
»Wir gehen jetzt rein«, kündigte ich an, nachdem die Kollegen gemeldet hatten, dass die anderen Eingänge des Hauses gesichert waren. Sofern Cruz sich noch im Gebäude befand, saß er jedenfalls in der Falle.
Aber das machte die Sache nicht unbedingt leichter. Wir wussten, dass Cruz unberechenbar war, wenn er einen Drogencocktail genommen hatte. Es war nicht ausgeschlossen, dass er sich dann gegen jede Vernunft einigelte und um sich schoss. Vor fünf Jahren war das bereits einmal geschehen – und nur Cruz’ geschickten Anwälten in Kombination mit ein paar gravierenden Verfahrensfehlern der Justiz war es zu verdanken, dass er nicht für lange Jahre hinter Gitter gekommen war.
Mit der Waffe in der Hand drangen wir ins Haus ein. Phil war dicht hinter mir. Mit wenigen Schritten hatte ich den Flur hinter mich gebracht und stieß die Tür zum Wohnzimmer auf.
Ich riss die Waffe hoch, umfasste dabei den Griff mit beiden Händen.
Um ein Haar hätte ich jetzt »FBI – Hände hoch und keine Bewegung!« oder etwas Ähnliches gerufen und dabei gehofft, dass Dexter Cruz vernünftig genug war, nicht zu seiner Uzi zu greifen. Aber ich sah auf den ersten Blick, dass das alles nicht mehr nötig war.
Dexter Cruz saß aufrecht in einem Ledersessel. Seine Uzi hielt er in der rechten Hand, die linke umklammerte eine gewöhnliche Automatik.
Aber er stierte uns mit starren, toten Augen an. Eine Spur getrockneten Blutes zog sich senkrecht über sein Gesicht. Das Blut war aus einer Einschusswunde mitten auf der Stirn herausgesickert, und dieser rote eingetrocknete Strom teilte sich an der Nasenwurzel.
Aber da war noch etwas, das mit seinem Gesicht nicht stimmte. Es wirkte eigenartig aufgedunsen. Die Wangen sahen wie gebläht aus. Als ob er den Mund voll hat, dachte ich.
Ein unsinniger Gedanke, glaubte ich in diesem Augenblick. Wie nahe er an der Wahrheit war, wusste ich in diesem Moment noch nicht.
»Dexter Cruz ist tot«, hörte ich Phil unterdessen per Headset an die Kollegen melden. »Anscheinend ist uns jemand zuvorgekommen.«
***
Wenig später wimmelte es am Tatort nur so von FBI-Agenten. Die Kollegen der Scientific Research Division trafen recht bald ein. Schließlich hat die SRD ihren Sitz in der Bronx, und so war der Weg in diesem Fall kurz.
»Es sieht aus, als hätte ihn jemand dort hindrapiert«, meinte unser Kollege Steve Dillaggio.
Sein Partner Zeerookah sah sich Cruz stirnrunzelnd aus der Nähe an.
Dann deutete er auf die Uzi. »Der Mittelfinger ist hinter den Abzug gehakt – das ist sehr ungewöhnlich.«
»Ich glaube, das soll nur verhindern, dass die Waffe herunterfällt«, vermutete Phil.
Ich nickte. »Wir können getrost davon ausgehen, dass er sie nicht in der Hand hatte, als er erschossen wurde.«
Zeery hatte inzwischen den Ledersessel umrundet und sah jetzt, was Phil und ich auch schon bemerkt hatten. »Er muss aber in diesem Sessel erschossen worden sein. Die Kugel ist vorne in den Schädel eingetreten, hat ihn durchdrungen, ist hinten wieder herausgekommen und hat dann den Sessel durchschlagen.«
»Na, wie es scheint, braucht mich hier niemand mehr!«, meldete sich eine heisere Stimme zu Wort. Sie gehörte Dr. Brent Heinz, einem der für die SRD tätigen Gerichtsmediziner. Dr. Heinz war gerade eingetroffen und suchte wohl noch nach einem Platz, wo er seine Arzttasche abstellen konnte, ohne damit gleich Spuren zu vernichten.
»Keine Sorge, für ein paar ergänzende Angaben wären wir sehr dankbar«, stellte Steve klar.
»Genaueres lässt sich natürlich erst nach der Obduktion sagen«, erklärte Dr. Heinz, während er sich die Latexhandschuhe überzog.
Zeery hatte inzwischen das Projektil gefunden, das Dexter Cruz mutmaßlich durch den Kopf geschossen worden war. Es steckte im Mauerwerk.
»Dieser Mann hat noch einen zweiten Schuss abbekommen – ungefähr in der Herzgegend«, stellte Dr. Heinz fest.
»Aber die Kugel
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