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310 - Auf gewagtem Kurs

310 - Auf gewagtem Kurs

Titel: 310 - Auf gewagtem Kurs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Stern
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mutierten Tier die Fersen in die Flanken.
    Verdammt! Grao warf sich vorwärts und überwand die restlichen drei Körperlängen in einem gewaltigen Sprung, versuchte die Hinterbeine des Horsays zu packen und die Reiterin aufzuhalten.
    Er sprang zu kurz. Um weniger als einen halben Meter verpasste er das mutierte Pferd und schlug schwer auf dem Boden auf, während die Kriegerin dicht über den Hals des Tieres gebeugt entwischte.
    Ächzend rappelte Grao’sil’aana sich auf und blickte dem Horsay nach. Unmöglich, es jetzt noch einzuholen.
    Es sei denn...
    Ein Gedanke elektrisierte ihn: Was, wenn er die Flucht der Kriegerin zu seinem Vorteil nutzte? Sie konnte in der bergigen Landschaft nicht den direkten Weg zum nächsten Dorf nehmen. Er jedoch würde in der Gestalt eines Steinbocks die Hügel leicht überwinden, vor ihr beim Dorf ankommen und sie dort abfangen können. Die Gefahr, dabei von anderen Menschen gesehen zu werden war groß... aber gerade das konnte ihm sogar nützlich sein!
    Und zwar dann, wenn er sich die Gestalt eines der verhassten Nordmänner gab! Dann würde die Primärrassenvertreterin zumindest nicht umsonst sterben, sondern dazu dienen, den Krieg gegen die Lokiraa-Krieger voranzutreiben. Damit erlegte er zwei Seeswane [2] auf einen Streich: Er konnte Bahafaas Tod rächen und Kriegerinnen wie Tumaara und Juneeda, die ihm gegenüber bereits misstrauisch wurden, eine Aufgabe geben, die sie von ihm ablenkte.
    So rasch, wie ihm sein Plan eingefallen war, setzte er ihn in die Tat um. Er überwand die bergige Landschaft als großer, muskelbepackter Bock, näherte sich bis auf Sichtweite dem nächsten Dorf und ließ die Jägerin auf dem Horsay herankommen.
    Dann wandelte er seine Gestalt. In ein dickes Fell gehüllt und mit den typischen Deformationen der Nordmänner im Gesicht sprang er aus dem Sichtschutz von Büschen und Bäumen hervor und führte einen seitlichen Schlag mit dem Schwert. Die Klinge traf den Oberschenkel der Frau. Das Horsay scheute, die Reiterin rutschte von seinem unbesattelten Rücken und blieb brüllend vor Schmerzen auf der Erde liegen. Sie versuchte aufzustehen, fiel aber wieder zurück. Die klaffende Wunde blutete stark.
    Grao eilte heran. Als das Horsay ihn erblickte, stieg es wiehernd auf die Hinterläufe und fletschte die Zähne. Es hielt Abstand zu ihm, als spürte es, dass er kein Mensch war. Grao kümmerte sich nicht um das mutierte Tier. Er hob das Schwert vom Boden auf und versicherte sich, dass die Primärrassenvertreterin nichts mehr von dem erzählen konnte, was sie an der Quelle beobachtet hatte – indem er ihr die Kehle durchschnitt.
    Das Gebrüll war nicht ungehört geblieben. Schon näherten sich die ersten Kriegerinnen vom Dorf her. Grao wartete, bis sie ihn sahen, dann flüchtete er zurück in den Wald, tarnte sich als Felsblock und schloss dabei das blutbefleckte Schwert in seinem Inneren ein. Die Kriegerinnen zogen, Flüche ausstoßend, an ihm vorbei. Immer mehr von ihnen durchkämmten den Wald und die Auen und Dünen am Meer. Einige schickten ihre Falken los.
    Finden konnten sie ihn nicht. Nach einigen Stunden gaben sie bei Einbruch der Dunkelheit frustriert auf. Da war Grao längst in der Gestalt Aruulas über Umwege zum Hauptdorf zurückgekehrt und in die Königsfestung eingezogen, wo er umgehend von dem ungeheuerlichen Vorfall, der sich rasch herumgesprochen hatte, informiert wurde.
    Am Abend rief er dann als Königin Aruula eine Versammlung ein. Grimmig sah er in die Runde. Gut zehn Kriegerinnen hatten sich im Thronsaal der großen Astrid versammelt, darunter die oberste Priesterin Juneeda, Arjeela und Tumaara.
    »Der Winter ist mild«, sagte er mit Aruulas Stimme. »Wudan schenkt uns ein Jahr ohne Schnee und Eis. Wir werden die Arbeiten an den Booten und an den Waffen beschleunigen. Lasst uns angreifen, solange das Wasser noch offen ist. Die verfluchten Nordmänner müssen in ihre Schranken gewiesen werden!«
    Juneeda machte ein bedenkliches Gesicht. »Der Krieg wurde immer im Frühling geführt, nie im Winter.«
    Grao zwang sich zu einem Lächeln. Die Priesterin gehörte zu den größten Problemen, die er in seiner Rolle als falsche Königin hatte. Sie hatte Aruula nahegestanden und war vielleicht fähig, ihn zu durchschauen. Es war schon schwierig genug, den anderen die schwierige Rolle zu verkaufen, zumal er nicht mehr lauschte. Doch leider hatte er seine eigenen mentalen Fähigkeiten beim Kampf des Wandlers gegen den Finder eingebüßt, wie alle, die

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