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313 - Der verlorene Pfad

313 - Der verlorene Pfad

Titel: 313 - Der verlorene Pfad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Seidel
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Barbarin hellwach. Man hätte erwartet, dass sie ihr schmerzendes Bein betasten würde, oder wenigstens einen Fluch ausstieß. Doch das tat sie nicht.
    Etwas war über ihre Hand gelaufen!
    Das habe ich mir nicht eingebildet! Aruula spannte sich wie eine Katze auf der Jagd. Lauschte nach vorn: Irgendwo dort im nachtschwarzen Höhlengang schlug ein zweites Herz!
    Wenn nur dieses Rauschen nicht wäre , dachte die Barbarin ungeduldig. Sie glaubte in der Stille ihr eigenes Blut zu hören und ärgerte sich darüber. Jedes andere feine Geräusch wurde davon überdeckt, und mehr als ein feines Geräusch würde das unbekannte kleine Wesen nicht verursachen.
    Vorsichtig befreite Aruula ihr Bein. Im Stiefel steckte ihr Messer; sie ergriff es und humpelte los.
    Es war kein gutes Gefühl, durch die Finsternis zu irren in dem Wissen, nicht allein zu sein. Immer wieder schwenkte Aruula mit vorgestreckter Hand das Messer quer über den Weg. Sie war nervös, aber gleichzeitig von neuer Hoffnung beseelt.
    Denn auf der Strecke zwischen Felsenkamin und dem von Grao versperrten Ausgang hatte sie nie eine Spur von Leben gefunden – außer dem kümmerlichen Pilz- und Flechtenbewuchs, mit dem sie und Orlaando ihr Verhungern bis jetzt hatten hinauszögern können. Wurzeln, Flechten und Pilze, Pilze, Flechten und Wurzeln – tagein, tagaus. Anfangs genügte das Zeug noch, um halbwegs satt zu werden. Doch inzwischen hatten ihr Begleiter und sie den Bestand so gut wie aufgezehrt.
    Wenn jedoch in den tieferen Gängen etwas lebte, musste dort auch eine Verbindung nach draußen sein. Wie sonst kämen die heimlichen Höhlenbewohner an Nahrung?
    Und noch etwas ermutigte Aruula: Das dumpfe Rauschen war nicht ihr eigenes Blut. Es kam aus der Tiefe des Ganges!
    Frisches Wasser, dachte sie und leckte sich unwillkürlich über die Lippen. Sie hatten zwar eine kleine Quelle in der Nähe des Felsenkamins, doch man konnte kaum noch daraus trinken, denn von dort kamen die Pilze her. Sie besiedelten den trichterförmigen Rand. Beim Ausrupfen landeten ihre Myzelienballen im Wasser, und da schaukelten sie nun herum, langsam verfaulend.
    Hier und da schimmerten Leuchtmikroben an der Höhlenwand. Je weiter Aruula vordrang, desto mehr wurden es. Auch das Rauschen schwoll an.
    Wasser!
    Von den Felsen löste sich etwas aus seiner Tarnstarre und flitzte davon. Das Tier selbst konnte Aruula nicht sehen, wohl aber seine nachglühende Fluchtspur. Vielleicht eine Ratze?
    Vielleicht war es essbar!
    Der Höhlengang erweiterte sich. Aruula beschleunigte ihre Schritte. Dann endeten die Seitenwände – und gaben den Blick frei auf eine faszinierende Unterwelt!
    Tropfsteine wuchsen von der Decke herunter. In den Zwischenräumen siedelten Mikrobenkolonien, deren blaues Licht den Boden erreichte mit seinen unterschiedlichen Gesteinsschichten und vereinzelten Felsbrocken. Echsenartige Wesen parkten darauf, vollkommen reglos.
    Und überall sprudelte Quellwasser hoch, plätscherte um glitzernde Stalagmiten, vereinte sich schließlich und fiel rauschend in dunkle Tiefen.
    Aruula streifte ihren Mantel ab, trat näher und sank auf die Knie. »Danke, Wudan!«, sagte sie, bevor sie ihre Hand ins Wasser tauchte.
    Die Barbarin widerstand der Versuchung, ihren Durst auf einen Schlag zu löschen. Ihr Magen hätte revoltiert, das wusste sie.
    Zwischen vorsichtigen Schlucken sah sie sich um, musterte die Tiere auf den Felsen. Es waren Höhlenlegaane; armlange, fettbäuchige Echsen, wie man sie überall im Untergrund der Dreizehn Inseln fand. Das Leben fernab vom Tageslicht hatte ihnen alle Farbe genommen, sie waren blind und ihr ursprünglich beinhartes Schuppenkleid sah aus wie rosiges Gummi.
    Ein Königreich für Lagerfeuer und Bratspieß , dachte Aruula und hob ihr Messer auf. Dann watete sie auf die Felsen zu.
    ***
    Am Tag zuvor, beim Volk der Dreizehn Inseln
    Das kleine Boot schaukelte sanft in der Dünung. Abendrot streichelte die stille Gestalt an Bord auf ihrem Lager aus Tannenzweigen, gab ihrem Gesicht einen Hauch von Farbe. Als lebte sie noch.
    Man hatte Juneeda in kostbare Pelze gehüllt und mit Winterblumen bekränzt. Ihr Schwert ruhte längs auf dem Körper, die Hände waren um den Griff gefaltet. Sie sah so friedlich aus, so wahrhaft erlöst! Manchmal, wenn sich die Strahlen der sinkenden Sonne veränderten, schien es einen Moment lang, als ob sie lächelte.
    Doch das tat sie nicht. Juneeda war tot, und ihr Ende war qualvoll gewesen. Alle wussten es, die sich zum letzten

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