38 - Satan und Ischariot II
Zuversicht besitzt, so ist's begreiflich und auch zu loben; zeigt sie sich aber in so jugendlichem Alter und bei einer so ernsten Veranlassung, so möchte man es für Unverstand halten.
Auf unserer Seite herrschte tiefe Stille. Mann lag neben Mann im Gras, um das Kommende zu erwarten. Schon war es gegen Mitternacht, und es wurde fast ein Uhr, als der ‚Lange Fuß‘ wieder zu der Buche kam und verkündete:
„Im Rat der Alten ist folgendes beschlossen worden: Erst kämpft Old Shatterhand und dann der Mimbrenjoknabe. Der Kampf Old Shatterhands findet mit der Lanze statt. Noch hat sich kein Gegner gefunden; darum wird die Art und Weise später mitgeteilt werden. Der Mimbrenjo wird im Wasser mit dem Messer kämpfen. Sein Gegner ist der ‚Schwarze Biber‘. Beide kämpfen, bis einer tot ist; keiner darf vorher das Wasser verlassen.“
Wie schlau! Der Name ‚Schwarzer Biber‘ ließ vermuten, daß der Betreffende sehr geschickt im Schwimmen und Tauchen sei. Und ich sollte mit der Lanze kämpfen, mit einer Waffe, von welcher die Roten annahmen, daß sie mir am ungeläufigsten sei. Aber da befanden sie sich im Irrtum. Winnetou, der größte Meister im Lanzenwerfen und Lanzenfechten, hatte sich auch da so lange mit mir abgequält, bis wenigstens etwas sitzen geblieben war. Bei einem Westläufer gibt es eben keine freie Stunde; hat er nichts anderes zu tun, so übt er sich. Daher die staunenswerte Fertigkeit und Sicherheit, die man an solchen Leuten zu bewundern hat. Wer da nur zuschaut, hat keine Ahnung von der Mühe und Arbeit, welche dazu erforderlich war.
Also für mich hatte sich kein Gegner gefunden. Vielleicht fand sich überhaupt keiner; das konnte ich mir dann schon gefallen lassen. Aber um den kleinen Mimbrenjo wurde mir bang; es trieb mich zu ihm hin, ihm einige nicht nutzlose Andeutungen zu machen. Als er mich kommen sah, blickte er mir lächelnd entgegen; das Kerlchen fühlte ganz und gar keine Bangigkeit, und als ich ihn fragte:
„Ist mein junger Bruder ein guter Schwimmer?“ antwortete er:
„Ich bin stets sehr gern ins Wasser gegangen.“
„Einfach ins Wasser gehen, um zu baden, oder im Wasser mit dem Messer um sein Leben kämpfen, das ist zweierlei.“
„Mein Bruder und ich haben sehr oft mit den Messern gekämpft.“
„Sei nicht zu zuversichtlich! Dein Gegner hat einen für dich schlimmen Namen; er muß sehr gut tauchen können.“
Daran hatte er wohl nicht gedacht, denn er machte ein nachdenkliches Gesicht.
„Man darf sich auch nicht allein auf die Fertigkeit verlassen; List ist oft besser als Geschicklichkeit. Dein Gegner wird wahrscheinlich viel kräftiger sein als du; das mußt du durch Schlauheit auszugleichen suchen. Vor allen Dingen darfst du dich nicht von ihm fassen lassen, sonst bist du verloren.“
„Fett!“ meint er, indem er mir lächelnd zunickte.
Da hatte man es! Ich wollte ihm gute Lehren geben, und dies eine Wort ‚Fett‘ sagte mir, daß er sich schon ganz pfiffig in seine Aufgabe hineingedacht hatte. Dennoch fuhr ich fort:
„Er wird natürlich drüben in das Wasser gehen, während du hier bei uns in dasselbe steigst. Voraussichtlich wird er sich auch drüben mehr aufhalten als hüben. Dort hast du ihn zu suchen.“
„Drüben brennt das Feuer; da ist es heller“, warf er ein.
„Aber am Ufer nicht, welches ringsum mit Büschen bestanden ist. Kennst du die Pflanze, welche ihr Sika nennt?“
„Ja; sie steht hier in Menge am Ufer und zwischen den Büschen.“
„Ihr Schaft oder Stengel ist hohl; das gibt eine schöne Röhre; merke es dir!“
Er sah mich fragend an; er hatte mich nicht verstanden.
„Eine schöne Röhre zum Atemholen“, erklärte ich ihm. „Ich wurde einst von Comanchen verfolgt und flüchtete in den Fluß. Da stand ich, während sie die Ufer absuchten, lange, lange Zeit unter dem Wasser und holte durch eine Sikaröhre Atem. Aber husten darf man nicht. Wenn du dich unter dem Wasser fest an das Ufer schmiegst und durch einen Sikastengel Atem holst, kannst du ruhig warten, bis er kommt. Du hast doch gelernt, die Augen im Wasser offen zu haben?“
„Ja. Man sieht, wenn das Wasser hell ist, mehrere Schritte weit.“
„So mag es genug sein. Es gibt zwar der Listen und Kniffe noch viele; aber man muß im Zweikampf den Gegner ehrlich behandeln; ich gab dir nur deshalb einen Wink, weil du ein Knabe bist und dein Feind ein erwachsener Krieger sein wird.“
Als ich den Kleinen dann beobachtete, sah ich, daß er sich mehrere Sikas abschnitt. Dann
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