38 - Satan und Ischariot II
verschwand er hinter den Büschen; sein Bruder folgte ihm bald, und als ich heimlich nachging, sah ich mit Vergnügen, daß er von letzterem mit Öl oder Fett eingerieben wurde. Beides oder wenigstens eines von beiden trägt jeder Indianer stets bei sich.
Wieder verging eine lange Zeit, ohne daß etwas geschah. Die alten Krieger liefen drüben emsig hin und her, wie man sah. Sie suchten jedenfalls nach einem Mann für mich; es fand sich aber keiner. Endlich schien aber doch ein Ergebnis erzielt worden zu sein, denn der ‚Lange Fuß‘ kam wieder nach der Buche und verkündete:
„Hört, ihr Krieger, was der Rat der Alten beschlossen hat! Das Blut, welches Old Shatterhand vergossen hat, ist das Blut eines Häuptlingssohnes, wofür doppelte Vergeltung geübt werden muß. Darum soll er nicht mit einem, sondern mit zwei Gegnern kämpfen, und zwar zu gleicher Zeit. Jeder erhält fünf Lanzen, und die Entfernung beträgt dreißig Schritte. Die Lanzen werden geworfen. Keiner darf die Stelle, auf welcher er steht, verlassen, doch ist es ihm erlaubt, beim Ausholen und Abwehren einen Schritt vor, hinter oder rechts und links neben sich zu treten. Schilde gibt es nicht. Wer seine fünf Lanzen versandt hat, muß, wenn der Gegner noch welche hat, stehen bleiben, bis diese geworfen sind. Wegen einer Wunde wird der Kampf nicht beendet, sondern derselbe hört nur mit dem Tod auf. Old Shatterhand wird mit ‚Langes Haar‘ und ‚Starker Arm‘ kämpfen. Er mag kommen, um seine Lanzen in Empfang zu nehmen.“
Ich blieb trotz dieser Aufforderung im Gras liegen, wo ich lag. Die Schufte taten doch ganz so, als ob nur sie zu befehlen und wir nur zu gehorchen hätten. Drüben stellten sich zwei Rote auf, deren jeder fünf Lanzen in den Händen hatte. Sie waren also meine geehrten Gegner, welche sich der Aufgabe unterziehen wollten, die Erde von meiner Gegenwart zu befreien. Sie machten herausfordernde Armbewegungen und heulten dazu. Als mich auch dies nicht veranlaßte, hinüberzugehen, kam der ‚Lange Fuß‘ drüben an das Ufer getreten und rief herüber:
„Warum kommt Old Shatterhand nicht? Hat die Angst ihm die Beine so steif gemacht, daß er nicht mehr gehen kann? Hier stehen die tapferen Krieger, welche ihn erwarten.“
Ich blieb ruhig liegen und rührte mich nicht. Er wartete vielleicht zehn Minuten lang und rief dann herüber:
„Es ist so, wie ich sagte: Old Shatterhand hat keinen Mut; er kriecht in das Gras und versteckt sich hinter das Gesträuch. Schande über ihn! Weiß er nicht, was sich für einen Krieger schickt?“
Da nahm, was ich auch gar nicht anders erwartet hatte, Winnetou sich meiner an, indem er hüben hart an das Wasser trat und hinüberrief:
„Welcher Frosch ist da drüben aus dem Weg gestiegen, um sein Quaken hören zu lassen? Old Shatterhand ist der kühnste Krieger der Savanne; wer darf an seinem Mut zweifeln. Sein Name ist bekannt über die ganze Prärie und in allen Bergen und Tälern. Wer aber hat jemals von einem ‚Langen Fuß‘ gehört? Wer ist der Mann, und was hat er getan? Kann jemand es mir sagen? Wie darf dieser unbekannte Mensch sich unterstehen, Old Shatterhand zu sich zu rufen! Meint er, Old Shatterhand sei ein Hund, welcher gehorcht, weil er die Peitsche fürchtet? Was fällt euch ein, uns vorzuschreiben, mit wem wir kämpfen sollen, und wie der Kampf zu verlaufen hat! Ist einer von euch so mutig gewesen, sich gegen Old Shatterhand zu melden? Kein einziger! Die Zähne klapperten euch vor Angst. Da habt ihr bestimmt, daß er gegen zwei zu kämpfen habe, und die Waffe hervorgesucht, welche er nicht zu führen versteht, denn niemand hat jemals gehört, daß er eine Lanze in der Hand gehabt habe. Scham und Schande über euch! Ihr errötet nicht bis hinter zum Rücken, mit einem Knaben zu kämpfen! Ihr seid wert, von den alten Weibern angespuckt und aus dem Lager getrieben zu werden. Wer sind die stinkenden Käfer, welche sich ‚Langes Haar‘ und ‚Starker Arm‘ nennen? Werden sie von ihren Müttern noch auf den Armen getragen, oder haben sie es schon soweit gebracht, am Boden hin und her zu rutschen? Und mit solchen Kindern soll Old Shatterhand kämpfen! Wer seid überhaupt ihr alle, daß ihr uns Vorschriften macht? Hier sind Häuptlinge, berühmte Männer, denen es nicht einfällt, sich durch die Berührung von Leuten zu beschmutzen, welche sich auf einen Berg stellen müssen, um einem Krieger wie Old Shatterhand bis an den Leib zu reichen. Ihr wißt noch nicht einmal, was einem
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