38 - Satan und Ischariot II
Ende.“
Dabei stand ich auf. Da rief er:
„Halt, noch sind wir nicht fertig! Hört noch ein Wort: Wenn ich in einer Viertelstunde nicht den Knaben und Old Shatterhand ausgeliefert bekommen habe, fallen wir über euch her und vernichten euch bis auf den letzten Mann!“
Winnetou war zu stolz, ihm darauf noch zu antworten, und mir fiel es auch nicht ein. Da aber stand der andere Häuptling auch auf und erklärte dem Alten:
„Ich bin ‚Listige Schlange‘ und habe noch nie mein Wort gebrochen; ich werde auch den Vertrag halten, den ich mit diesen Männern abgeschlossen habe.“
Da sah ihn der Alte groß an und fragte:
„Wie willst du ihn halten, wenn ich ihn für ungültig erkläre?“
„Das kannst du nicht. Ich bin's, der ihn abgeschlossen hat, und ich bin's, der zu sagen hat, ob er gelten soll oder nicht.“
Da stampfte der Alte, der sich auch erhoben hatte, mit dem Fuß auf den Boden und schrie:
„Und ich befehle aber, daß er nichtig ist! Wer wagt es, sich gegen den ‚Großen Mund‘ zu empören?“
„Ich, die ‚Listige Schlange‘, wage es. Meine Krieger haben alle mit meinen Freunden das Kalumet geraucht, das Kalumet, dessen Ton ich unter vielen Gefahren und allen frommen Gebräuchen aus den heiligen Steinbrüchen geholt habe. Jeder Stoß des Rauches ist ein Schwur, welcher gehalten werden muß, und wer einen solchen Schwur bricht, kann nie in die ewigen Jagdgründe gelangen, sondern irrt als Schatten vor den Toren derselben umher.“
Er hatte diese Worte so laut gerufen, daß sie weithin zu vernehmen waren. Der ‚Große Mund‘ fragte nun ebenso laut:
„Du nennst die Fremden also deine Freunde? Willst du sie etwa beschützen?“
„Ja. Wenn sie angegriffen werden, verteidige ich sie mit meinem Blut und meinem Leben!“
„Gegen mich und meine Krieger, die deine Brüder sind?“
„Wer mich zwingen will, meinen Schwur zu brechen und meine Kalumet zu entweihen, der ist mein Bruder nicht mehr, der beleidigt mich und beschimpft alle Männer meines Stammes. Hört es, ihr Krieger, deren Anführer ich bin! Der ‚Große Mund‘ hat uns Feiglinge genannt. Wollt ihr das dulden? Er verlangt von uns, unsere Kalumets zu zerbrechen, welche das Kostbarste sind, was wir besitzen. Er fordert, daß wir unsere heiligen Medizinen durch Meineide beschimpfen. Wollt ihr ihm gehorchen?“
Tiefe Stille war die Antwort. Kein Ja und kein Nein ließ sich hören. Da fuhr er fort:
„Hier steht Winnetou, und hier steht Old Shatterhand. Habt ihr gehört, daß einer von ihnen jemals sein Wort gebrochen hat? Sollen sie von uns sagen, daß wir Lügner sind? Old Shatterhand hat mich aus dem Schacht geholt, in welchem ich verschmachten sollte; er tat es, obgleich ich sein Feind war; soll ich nun zum Verräter an ihm werden, obgleich ich sein Freund bin? Soll euer Anführer ein Lügner sein oder ein ehrlicher Mann, auf dessen Wort ihr euch verlassen könnt? Entscheidet euch! Ich gehe jetzt mit Winnetou und seinem weißen Freund. Wer ein ehrlicher Mann und ein tapferer Krieger ist, der mag herüber zu uns kommen; aber wer die Lüge liebt und es duldet, ein Feigling genannt zu werden, der mag drüben bei dem ‚Großen Mund‘ bleiben. Ich habe gesprochen, und ihr mögt nach meinen Worten handeln. Hat der ‚Große Mund‘ eine Rache gegen Old Shatterhand, so mag er selbst sie mit ihm auskämpfen, wenn er Mut besitzt. Ich habe gesprochen, und ihr habt es gehört. Howgh!“
Er nahm mich bei der Linken und Winnetou bei der Rechten und ging mit uns nach unserer Seite herüber. Die Wirkung war eine überraschende, eine weit bessere, als ich erwartet hatte, denn seine Leute folgten ihm alle; ich glaubte nicht, daß einer fehlte. Das war wohl die Folge davon, daß der Alte ihn einen Feigling genannt hatte.
Der ‚Große Mund‘ stand wie versteinert, als er dies sah; er starrte eine ganze Weile zu uns herüber, drehte sich dann um und kehrte zu seinem Feuer zurück, an welchem er sich bei den Ältesten niederließ. Während bei uns tiefes Schweigen herrschte, ging es drüben lebhaft her. Man sah den erregten Mienen und Bewegungen der Alten an, daß sie sich Mühe gaben, den ‚Großen Mund‘ zu irgend etwas zu bewegen, wozu er keine Lust hatte. Das dauerte wohl zwei Stunden lang; dann kam einer der alten Krieger langsam nach der Buche geschritten, blieb dort stehen und rief mit lauter Stimme:
„Hört es, ihr Krieger der Yumas und der Mimbrenjos: Hier steht der ‚Lange Fuß‘, welcher viele Sommer und Winter durch das
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