39 - Satan und Ischariot III
welche Richtung wir unser Mißtrauen wenden sollten, so legten wir uns schlafen, doch mit dem Vorsatz, morgen mit dem frühesten aufzustehen.
Mitten in der Nacht weckte mich Winnetou.
„Mein Bruder mag horchen!“ sagte er.
Ich lauschte. Von draußen hörte man, aber fern von dem Haus, ein leises Geräusch, wie das Rollen eines Wagens; dann war es wieder still, und nichts ließ sich mehr vernehmen. Wir schliefen also wieder ein, indem wir das Bewußtsein hegten, daß die Jüdin, wenn sie wirklich nur mit Hilfe der Leiter aus ihrem ‚Boudoir‘ entweichen konnte, sich gewiß nicht entfernen konnte, ohne von uns gehört zu werden. Wir drei, besonders aber Winnetou, pflegten beim leisesten Geräusch aufzuwachen.
Der Tag graute, als wir aufstanden. Da es an der Tür kein Schloß, sondern nur einen hölzernen Riegel gab, konnten wir aus dem Haus treten, ohne den Wirt zu wecken, welcher, wie wir sahen, noch schlafend in der Küche lag. Wir bemerkten sofort, daß die Leiter dort fehlte, und als wir um die Ecke des Hauses bogen, sahen wir sie dort an der Wand lehnen. Sie reichte bis an einen offenstehenden Laden in dem obern Raum, welchen der Wirt Boudoir genannt hatte. Und nun bemerkten wir auch, daß sich dort eine Tür befand, welche aus der Küche in das Freie führte. Der Wirt wurde natürlich sofort geweckt.
„Wo sind die Damen, die oben schliefen?“ fragte ich ihn.
„Fort“, antwortete er, indem sich sein Gesicht in ein schadenfrohes Grinsen zog. „Ich habe sie hinausgelassen.“
„Und heimlich, damit wir es nicht bemerken sollten!“
„Allerdings, Mesch'schurs. Ich gönne meinen werten Gästen gern den Schlaf. Darum habe ich die Küchentür so leise nach außen geöffnet und die Leiter so leise hinausgeschafft und draußen angelehnt, daß ihr es selbst dann nicht gehört hättet, wenn ihr wach gewesen wäret. Und ebenso leise sind die Damen dann auch durch den Laden herabgestiegen.“
Er sagte das mit einem so merkwürdigen Hohn, daß ich ihn am liebsten hätte ohrfeigen mögen. Ich fragte weiter:
„Ihr wißt nicht, wohin sie sind?“
„Nein.“
„Und doch habt Ihr sie im Wagen fortgeschafft!“
„Im Wagen?“ meinte er erstaunt. „Woher wißt Ihr das?“
Ich dachte an die Worte, welche Judith zu dem Händler gesagt hatte: „Mr. Hunter hat dafür gesorgt, daß ich schnell zu ihm kommen kann.“ Sollte er ihr beim Abschied gesagt haben, er wolle hier einen Wagen für sie bereithalten lassen? Ich antwortete:
„Ich weiß, daß hier bei Euch ein Wagen für eine Mrs. Silverhill gestanden hat!“
„Wenn Ihr es so gewiß wißt, warum soll ich es da leugnen! Er stand drüben an der Station im Schuppen. Ich habe ihn aus Little Rock besorgen müssen und ein Heidengeld dafür bezahlt, obwohl es nur eine alte, ausgediente Überlandkutsche war.“
„Nach welcher Richtung ist die Kutsche fort?“
„Das kümmert Euch nicht.“
„Well, ganz wie Ihr wollt, Sir! Nun zeigt uns doch einmal die Pferde, die Ihr uns verkaufen wollt!“
„Ich verkaufe sie nicht. Ich will Euch offen sagen, daß Mrs. Silverhill, die eine sehr feine Dame ist, mich dafür bezahlt hat, daß ich Euch kein Pferd ablasse.“
„So wird es andere Leute geben, bei denen wir welche bekommen.“
„Hier in Gainesville? Da irrt Ihr Euch. Es gibt keinen Pferdehuf hier im Ort, der nicht mir gehört. Schöne Pferde sind's; das muß man sagen. Soll ich sie Euch mal zeigen? Sie stehen da draußen in der Fenz.“
Er sagte das wieder in seinem so niederträchtig schadenfrohen Ton und deutete dabei mit der Hand über die Station hinüber. Ich verstand den Blick, welchen mir Winnetou zuwarf, und antwortete:
„Ansehen kann man sie sich einmal. Zeigt sie uns also!“
Wir hatten alles, was uns gehörte, bei uns und folgten ihm ins Freie, wo, vielleicht zehn Minuten vom Ort entfernt, eine Fenz errichtet war, in welcher sich zwölf Pferde befanden. Es waren einige dabei, welche uns gefielen. Der Mann blieb aber bei seiner Weigerung. Da sagte ich:
„Sir, hat Mrs. Silverhill Euch unsere Namen genannt?“
„Nein.“
„So will ich sie Euch sagen. Hier steht Winnetou, der Häuptling der Apachen; ich bin Old Shatterhand, von dem Ihr wohl schon gehört habt, und der dritte von uns ist auch ein Mann, der nicht mit sich spaßen läßt. Ihr verkauft Pferde, und wir brauchen augenblicklich welche; Ihr wollt uns nur aus reiner Schikane keine ablassen. Nun hört, was ich Euch sage; es ist unsere feste Absicht, die wir unbedingt ausführen
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