39 - Satan und Ischariot III
hatte zwar den schweren Wagen, genoß dafür aber den Vorteil, daß sie ihre Pferde wechseln konnte, was bei uns nicht der Fall war.
Das Grün, welches wir zwischen den Nebenflüssen des Red River gefunden hatten, verschwand; die Prärie ward zur Wüste, und zwar zur Sandwüste, durch welche wir einen ganzen Tag lang ritten, ohne einen Grashalm zu erblicken. Am anderen Morgen verwandelte sich der Sand in festen Stein, der eine solche Härte besaß, daß die Spur, welcher wir folgten, beim besten Willen und trotz allen Scharfsinns nicht mehr zu erkennen war, zumal wir jetzt annehmen mußten, daß die alte Überlandpostkutsche nun einen Vorsprung von einem Tag besaß. Glücklicherweise kamen wir, als wir kreuz und quer nach der Spur suchten, an eine große Lache, deren Wasser uns sehr willkommen war, obgleich es eine nicht sehr appetitliche Farbe hatte. Wir tranken, indem wir unsere Taschentücher als Seiher vor den Mund hielten, und ließen dann auch die Pferde schlürfen, bis kein Wasser mehr, sondern nur noch Schlamm vorhanden war.
Wir fanden die verlorene Spur erst dann wieder, als der Boden abermals sandig wurde, doch hatten wir mit dem Suchen einen zweiten Tag verloren. Die Fährte war also nun zwei Tage alt und infolgedessen nur stellenweise zu erkennen.
„Dumme Geschichte!“ meinte Emery. „Wenn das so fortgeht, holen wir das Weibsbild im ganzen Leben nicht ein!“
„Wenigstens bis Albuquerque nicht“, antwortete ich.
„So hast du doch recht gehabt, daß es besser sei, der Spur nicht zu folgen, sondern lieber gleich direkt nach Albuquerque zu reiten.“
„Diese Einsicht kommt leider nun zu spät. Wir können nicht zurückkehren.“
„Und wenn dies möglich wäre, würde Winnetou es nicht tun“, fiel der Apache ein. „Es ist ja möglich, daß Jonathan Melton unterwegs angehalten hat, um auf die Jüdin zu warten. In dem Fall holen wir den Wagen sicher ein.“
„Und wo meint mein Bruder, daß er angehalten hat?“
„Da, wo Wasser ist, also oben am Canadianfluß, bis zu welchem wir noch zwei Tagesreisen haben.“
Ich schüttelte den Kopf, denn ich achtete den Scharfsinn und die Erfahrung des Apachen zu hoch, als daß ich ihm hätte in Gegenwart Emerys scharf widersprechen mögen. Ich war anderer Ansicht gewesen als er, hatte mich aber der seinigen gefügt, und so wären Nörgeleien oder gar Vorwürfe überflüssig gewesen. Er aber bemerkte mein Kopfschütteln und fragte:
„Ist mein Bruder anderer Meinung als ich?“
„Ja. Ich meine, daß wir die Jüdin nicht einholen werden.“
„Auch dann nicht, wenn Jonathan Melton auf sie wartet?“
„Auch dann nicht. Er wartet doch nur so lange, bis sie kommt, und geht dann sofort mit ihr weiter.“
„Uff! Vielleicht gibt er ihr Zeit, auszuruhen!“
„Gewiß nicht, denn er wird ja von ihr erfahren, daß wir hinter ihr her sind.“
Da senkte er den Kopf und sagte kleinlaut:
„Mein Bruder hat recht. Wir hätten seiner Stimme und nicht der meinigen folgen sollen. Winnetou ist ein Tor gewesen.“
Es tat mir innerlich förmlich weh, daß dieser Mann sich einen Tor nannte; es sollte ihm später allerdings auch die Rechtfertigung werden, daß wir trotz meiner Behauptung die Kutsche doch noch einholten, leider aber unter ganz anderen Umständen, als der Apache vorausgesetzt hatte.
Also bis zum Canadian-River hatten wir noch volle zwei Tagesreisen, und die waren sehr schlimm. Wir befanden uns auf der schon erwähnten Hochebene; unsere Pferde wateten im tiefen Sand, und die Sonne brannte so heiß auf uns, daß wir uns in einem Backofen denken konnten. Dennoch brachten wir den ersten Tag glücklich zu Ende und wären dann nach kurzer Rast gern weiter geritten, um die Kühle des Abends und der Nacht zu benutzen, aber das konnten wir nicht, da wir in der Dunkelheit die Spur verloren hätten.
Glücklicherweise kamen wir am anderen Morgen wieder an eine Lache, welche wir von den Pferden austrinken ließen, und gegen Mittag erreichten wir eine Stelle, welche von stacheligen Kakteen bestanden war. Die runden Früchte derselben enthalten einen wässerigen Saft, welcher zwar nicht sehr wohlschmeckend ist, aber dem Durstenden doch das Wasser zu ersetzen vermag. Das wissen auch die Tiere.
Wir tranken also so viel solchen Saft, bis unser Durst gelöscht war, und entstachelten auch für die Pferde einen ganzen Haufen von Früchten, welche von ihnen mit Begierde verzehrt wurden. Dann ging es weiter.
Wir rechneten, daß es möglich sei, bis zum Abend irgendein
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