39 - Satan und Ischariot III
Umweg machen, während wir denselben abschneiden konnten. Taten wir dies, so erreichten wir Albuquerque wahrscheinlich früher als sie und konnten nicht nur sie dort erwarten, sondern auch nach den Meltons ausschauen. Freilich ging der Weg, den wir da einzuschlagen hatten, über den nördlichen Teil des Llano estacado, welcher dort eine saharaähnliche Hochebene bildet, so daß wir uns auf einen schlimmen Ritt und nicht geringe Entbehrungen gefaßt machen mußten; dennoch aber beantragte ich, diese Richtung einzuschlagen. Emery hatte keine Lust. Er brachte einige Gründe dagegen vor, welche ich freilich nicht als stichhaltig anerkennen konnte. Dennoch stimmte Winnetou ihm bei, indem er zu mir sagte:
„Mein Bruder kennt die Hochebene ebenso genau wie ich. Wir müßten vielleicht mehrere Tagesritte machen, ohne Wasser zu finden; würden unsere Pferde das aushalten?“
„Wir finden doch wohl Wasser, weil jetzt nicht die trockene Jahreszeit ist“, antwortete ich.
„Auf der Hochebene nicht, denn da trocknet der Wind schnell jede Lache und Pfütze aus.“
„So treffen wir auf Kaktusfelder, deren wässerige Früchte unsere Pferde fressen können; dann wird ihr Durst gestillt.“
„Mein Bruder hat recht; diese Früchte enthalten viel Wasser; ich dachte nicht an sie. Aber es gibt noch andere Bedenken dagegen, daß wir gerade nach Albuquerque reiten. Weiß Old Shatterhand gewiß, daß Jonathan Melton sich dort befindet oder dorthin kommen wird?“
„Ja. Natürlich nehme ich dabei an, daß die Jüdin mir die Wahrheit gesagt hat.“
„Sie hat sie gesagt. Aber kann Melton nicht unterwegs aufgehalten worden sein?“
„Die Möglichkeit ist freilich vorhanden.“
„Dann stößt Judith zu ihm. Sie sagt ihm, daß wir hinter ihr her sind und daß sie dir mitgeteilt habe, daß er nach Albuquerque wolle. Dann wird er sich hüten, nach diesem Ort zu reiten.“
„Das kann aber doch nur in dem Fall geschehen, daß er durch irgendeinen Zufall unterwegs aufgehalten wird!“
„Nein. Er kann auch ganz von selbst auf den Gedanken kommen, anzuhalten und auf sie zu warten.“
„Das wäre ein Zeitversäumnis!“
„Gewiß nicht. Es ist doch ganz gleich, ob er unterwegs oder in Albuquerque auf sie wartet. Ja, in Albuquerque kann er weit eher entdeckt und entlarvt werden als in der Einsamkeit, in welcher ihn niemand sieht.“
„Hm! Ich kann freilich nichts dagegen sagen; aber es ist ein Gefühl in mir, welches mich direkt nach Albuquerque treibt.“
„Ich weiß, daß mein Bruder zuweilen solche unbestimmten Gefühle hat, die ihn selten täuschen; aber in diesem Fall bitte ich ihn, nicht auf eine solche Ahnung, sondern auf die Stimme der Berechnung zu hören.“
„Wenn Winnetou dies tut, so weigere ich mich nicht länger, ihm zu folgen. Reiten wir also der Jüdin nach!“
Wir kauften in Henrietta noch einige Gegenstände, welche dazu dienten, unsere Ausrüstung zu vervollständigen, und verließen dann den Ort, indem wir zunächst eine westliche Richtung einhielten, bis wir des Abends einen Nebenfluß des Red River erreichten, über welchen wir am anderen Morgen setzten. Von da ging es nach Norden, auf den South Fork of Red River zu. An diesem langten wir am nächsten Mittag an.
Hier war die Dryfurt, von welcher wir gehört hatten. Die Furt hat den Namen erhalten, weil hier der Fluß so breit und seicht ist, daß ein Reiter, falls nicht Überschwemmung ist, hinüberkommen kann, ohne einen einzigen Tropfen Wasser an seinen Körper zu bekommen.
Wir hatten bisher immer genügende Weide für die Pferde gehabt und sahen auch die Spur des Wagens, welchem wir folgten. Jetzt aber wendete sich letztere so nach Nordwest, daß der nördliche Arm des Flusses und die Quelle desselben östlich liegenblieben, und wir mußten uns darauf gefaßt machen, eine Zeitlang kein Futter für unsere Pferde und kein Wasser für sie und uns zu finden. Es verstand sich daher ganz von selbst, daß wir uns satt tranken und auch die Tiere tüchtig trinken ließen. Dann ging es weiter.
Viel vorteilhafter wäre der Weg über den Camp Radzimsky und Fort Elliot gewesen; aber Jonathan Melton hatte aus naheliegenden Gründen bewohnte Orte vermieden. Je weniger er auf seiner Flucht gesehen wurde, desto besser war es für ihn.
Ich habe schon gesagt, daß die Jüdin einen Vorsprung von acht Stunden vor uns gehabt hatte, und leider war es uns bisher nicht gelungen, denselben zu verringern; es schien vielmehr, als ob er bedeutend größer geworden sei. Sie
Weitere Kostenlose Bücher