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41 - Unter heisser Sonne

41 - Unter heisser Sonne

Titel: 41 - Unter heisser Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Fragen, die teils nach der Tiefe, teils nach der Höhe forschen. Der Morgenländer liebt es ganz besonders, sich mit derartigen Dingen zu beschäftigen, während der Abendländer sie am liebsten dem Fachgelehrten oder Fachbeamten überläßt. Im Laufe dieser Unterhaltung zeigte sich der Scheik als ein wohlunterrichteter, vorurteilsfreier Mann, der einem einmal gefaßten Entschluß die beste Seite abzugewinnen wußte. Nun man sich einmal für die Aussöhnung der beiden Stämme entschieden hatte, war er auch gleich ganz Feuer und Flamme dafür und zu jedem hierauf bezüglichen Entgegenkommen bereit. Er befreundete sich mit seinem bisherigen Gefangenen in ebenso schneller wie aufrichtiger Weise, zumal wir beide, Halef und ich, alles mögliche taten, diesen Friedensschluß zu beschleunigen. Hierbei wurde der Bruder unseres Dichters, nämlich der Scheik der Manazah, des öfteren erwähnt, und da hörten wir leider, daß er ein harter, eigenwilliger Mann sei, bei dem es wohl nicht ohne innere Kämpfe hergehen werde, sich für die Beendigung der Feindschaft zu entscheiden. Er schien in jeder Beziehung ein ausgesprochener Egoist zu sein und an seinem ganzen seelischen Körper nur einen einzigen warmen, sympathischen Punkt zu besitzen, und das war die Liebe zu seinem Bruder, demselben, der heute abend hier bei uns saß. Auf diesen einzigen Punkt allein konnte sich die Hoffnung gründen, daß die Pazifikation der beiden Stämme zu ermöglichen sei.
    Ali Ben Masuhl stimmte auch ganz für diese Aussöhnung; er hatte ja an sich selbst erfahren, wohin die Feindschaft führt; aber er war stiller als der Scheik. Die ihm angeborene, schöne Begeisterungsfähigkeit trat heut hinter den Ernst der Gedanken zurück, die Merhameh in ihm in das Leben gerufen hatte. Sie füllten ihn innerlich aus, das sah man ihm an, und diese Einkehr in sich selbst ließ ihn so seelisch bedrängt, so rührend hilfsbedürftig erscheinen, daß ich mich herzlich zu ihm hingezogen fühlte. Ganz ebenso erging es dem Scheik, der während des Gespräches sehr oft, ohne eigentlich zu wollen, seine Hand ergriff, um sie ihm zu drücken.
    Was uns selbst nun im besonderen betrifft, so war unsere Abreise für den zeitigen Morgen beschlossen. Der Scheik der Münazah bat, uns bis an die Grenze seines Gebietes begleiten zu dürfen. Dann sollten wir für morgen abend die Gäste der Manazah sein, mit deren Scheik er den Friedensabschluß besprechen wollte, und hierauf sollten wir von unserem Dichter und seinem Bruder bis an die Weideplätze des nächsten Stammes unter Schutz genommen werden. Wie gut und aufrichtig der Scheik es mit seinem bisherigen Todfeind meinte, war daraus zu ersehen, daß er, als dieser sein lahm gewordenes Pferd erwähnte, zu ihm sagte: „Das kannst du natürlich nicht reiten. Es bleibt hier bei mir, bis sein Huf gesundet ist. Ich borge dir meine Isabelle. Sie ist das köstlichste, was ich besitze. Du siehst, ich habe dich lieb.“
    Als wir dann auseinandergingen, hörte ich, daß Ali Ben Masuhl auch eines der leeren Zelte angewiesen bekam. Später aber trat ich, ehe ich mich niederlegte, noch einmal vor das meinige, um nach dem Wetter auszuschauen, und da sah ich, daß er auf das Zelt verzichtet hatte und demjenigen von Merhameh gegenüber an der Mauer des Hauses saß, um kein Auge von dem Dach, unter dem sie ruhte, zu verwenden. Halef sah das auch und sagte: „Seine Seele spricht mit ihrer Seele. Oh, Effendi, wenn die Menschen doch wüßten, wie heilig so ein inneres Leben ist!“
    Die Sonne war eben aufgegangen, als wir am nächsten Morgen die Residenz Omar Ben Amarahs verließen. Das heißt, sie war zwar aufgegangen, aber wir sahen sie nicht. Sie verbarg sich hinter einem häßlichen, dicken, schmutzig gelbroten Schleier. Wir hatten einen jener bösen Tage vor uns, an denen die Luft mit feinstem Sand geschwängert ist und man sich Auge, Mund und Ohr verhüllen muß, um diese edlen Organe zu beschützen. Darum steckten wir alle so tief in unseren Mänteln, daß von uns fast nichts zu sehen war als eben nur diese Mäntel. Und das hielt nicht nur den ganzen Tag an, sondern es verschlimmerte sich am Nachmittage so, daß wir unsere Pferde öfters ruhen lassen mußten und nur ganz langsam vorwärts kamen. Es war ein Tag, wie extra dazu gemacht, daß ein großes schweres Unglück an ihm geschehe. Darum war ich gestern, ehe ich mich schlafen legte, noch einmal aus dem Zelt getreten, um nach dem Himmel zu sehen. Jedes Wetter schickt für den, der es

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