49 - Der Zorn von Antares
fürsorglichen Händen.
Als wir vorsichtig tiefer gingen, stieg die Jungfrau mit dem Vielfältigen Lächeln höher in den sternenfunkelnden Himmel. Die Winkel der Schatten veränderten sich. Von der in der Gestalt eines Totenschädels geformten Felsmasse ging nun abgrundtiefe Bösartigkeit aus.
»Ferzakl!« flüsterte Dimpy.
Der Wind erstarb, als wir tiefer gingen; der Berg hielt ihn ab. Eine seltsame Stille hüllte uns ein. Das unheimliche Fehlen jeglicher üblicher Laute dauerte an, bis Seg mit seiner mächtigen Stimme rief: »Der dürre Kopf erinnert mich daran, daß ich eine vernünftige Mahlzeit brauche.«
Der Bann war gebrochen. Die Decks hallten vom Geschnatter der Männer wider. Manchen war es sogar fast peinlich, daß sie sich von einem zugegeben ungewöhnlich geformten Fels so hatten beeinflussen lassen. »Guter alter Seg«, murmelte ich.
Außerdem hatte er recht gehabt. Eine ordentliche Mahlzeit und ein guter Tropfen würden uns gegen die Strapazen und Gefahren stählen, denen wir in den Katakomben begegnen würden.
Wir sanken immer tiefer in die bedrohlichen Schatten des Tales. Der Totenschädel überragte uns, während der Pilot nach einem sicheren Landeplatz Ausschau hielt. Als ich in die nackte Kargheit der Augenhöhlen und der Nase blickte, fühlte ich, wie sich die dunkle Wut wie eine Schlange in meinem Innern wand. Dieses Gefühl mußte unterdrückt werden, aber der scheußliche Schädel schien meinen Haß zu erwidern; ich packte die Reling mit verkrampften Fäusten.
Plötzlich spürte ich Segs fragenden Blick und versuchte den Bann dieser Wut zu durchbrechen. Ich teilte meinen Klingengefährten mit, daß wir Segs Vorschlag befolgen und eine Mahlzeit zu uns nehmen würden.
Den offensichtlichen Gedanken, daß es die letzte Mahlzeit auf dem schrecklichen und zugleich wunderbaren Kregen sein könnte, verdrängte ich.
Eregoins Antwort setzte mit einem lauten Krachen und einem furchtbaren Ruck auf, der uns ins Taumeln brachte. Ein paar unglückliche Wichte fielen unter den rauhen Bemerkungen ihrer Kameraden sogar hin. Die Jungs hatten ihre Urängste überwunden und waren wieder guten Mutes. Der Rest der kleinen Armada landete. Essen und Trinken wurden ausgeteilt, die Waffen überprüft. Man holte die Grabungsausrüstung. Wir waren bereit – oder zumindest so bereit, wie wir es je sein würden –, uns den Schrecken des Schädelberges zu stellen.
Der Weg hinein führte durch die aufklaffenden Kiefer.
Nun, wie hätte es auch anders sein können?
Genausowenig überraschten die eingemeißelten Worte.
JEDE ENTWEIHUNG BRINGT DEN TOD
Das war keiner der blumigen rituellen Flüche, wie man sie so oft als schutzspendende Warnungen oder Drohungen bei Grabstätten findet. Von den Worten ging eine finstere, durchdringende Kälte aus. Sie waren ernst gemeint.
Da ich Dray Prescot war, rückte ich den Schwertgurt zurecht, drückte die Brust heraus und trat als erster in die Öffnung. Das hatte nichts mit Tapferkeit zu tun. Es geschah, weil es erforderlich war und getan werden mußte.
Hinter mir fand ein ziemliches Gedränge um die vorderen Plätze statt, als jeder von den Jungs der nächste sein wollte.
Eine helle Stimme sagte: »Halt mir deine verfluchte Fackel nicht ins Gesicht, Nath!« Ich fuhr erstaunt herum.
»Was zum Teufel tust du hier, Veda?«
Sie lachte durchtrieben und zog einen verrutschten Träger hoch. »Ich hatte mich an Bord geschlichen! Hast du etwa geglaubt, ich ließe mir das entgehen, Drajak?«
Ich schüttelte den Kopf. Frauen! Andererseits war sie eine Jikai-Vuvushi gewesen und eine gute Kameradin. Und sie hatte einen besseren Grund für ihre Anwesenheit als die meisten anderen. Sie war Teil des Ibmanzy-Programms gewesen.
Balla die Große trat vor und nickte Veda zu. »Wir werden uns gut schlagen.«
Ich seufzte. Wie lange würde es wohl dauern, bis Veda ihrer Kleider verlustig ging?
Die kleine Verzögerung verschaffte Brory dem Tapferen und seinen Schurken von Nagzalls Bösen Neemus ihre Gelegenheit. Sie waren auf Beute aus und stürmten wie jagende Werstings den Tunnel entlang, der von dem Skelettrachen ins Innere führte. Sie liefen nicht blindlings vorwärts. Jeder dieser Schurken war ein hartgesottenes Bandenmitglied aus den Armenvierteln. Sie verrichteten ihre Arbeit schnell und professionell. Wir schlossen uns ihnen an.
Der Tunnel stank. Als unsere Lampen grob aus dem Stein gemeißelte Wände beleuchteten, enthüllten sie in der reglosen Luft tanzende
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