49 - Der Zorn von Antares
durch Geheimtunnel zu schleichen. Unser größtes Problem würde darin bestehen, der wieder aktiven Kataki-Wache aus dem Weg zu gehen.
»Bei Erthyr dem Bogen!« verkündete Seg, stemmte die Hände in die Hüften und betrachtete staunend das wilde Treiben. »Hier stinkt es.«
Nun hatte Seg die gleichen Schwierigkeiten wie ich, den wohlmeinenden Absichten seiner Männer zu entgehen. Wir hatten uns beide wegschleichen müssen, und ich wäre keine Wette eingegangen, daß uns keiner unserer Leibwächter folgte.
Als ich mich mißtrauisch umsah, ertappte ich mich bei der seltsamen Frage, warum ich das hier tat, statt der Dame Quensella einen Besuch abzustatten. Nicht ohne Makki-Grodno zu beschwören, kam ich zu dem ernüchternden Schluß, daß dieser Ausflug einem Tanz mit einer Dame vorzuziehen war, die beweisen konnte, daß sie keine Dame war – durch die Dolchspitze eines Meuchelmörders. Vom Regen in die Traufe, das traf es genau, bei Krun!
Segs Beschreibung der Gräben stimmte genau – der Gestank stieg einem in die Nase und verätzte den Hals. »Denkt dran«, sagte ich zu den Gefährten, »hier unten bin ich Kadar der Hammer.«
In den Gassen gab es noch immer die Spuren des katastrophalen Erdbebens, das Mak Khons völlig unfähiger Zauberer aus Loh heraufbeschworen hatte. Kov Brannomar hatte den Armen Hilfe angeboten. Dem lagen natürlich nicht nur humanitäre, sondern auch politische Beweggründe zugrunde; danach war hier unten erstaunliche Ruhe eingekehrt.
Natürlich war in den zwischen den Hügeln zusammengepferchten Armenvierteln der Begriff Ruhe eher relativ zu verstehen. An diesem Ort schwirrte es nur so vor Aktivitäten, die alle zweifelhafter, räuberischer und habgieriger Natur waren. Wir bewegten uns mit geschärften Sinnen durch diese Lasterhöhlen, ständig bereit, einer herabsausenden Klinge und oder dem zustoßenden Dolch zu entgehen.
Es hatte bei Nagzallas Bösen Neemus einige Veränderungen gegeben, seit Dimpy und ich sie zuletzt besucht hatten. Bei dem Erdbeben hatte es viele Todesopfer gegeben, während andere wiederum dem aufreibenden täglichen Spiel von Leben und Tod erlegen waren. Brory der Tapfere erfreute sich noch immer seiner Gesundheit und begrüßte uns mit einem Weinpokal in der einen und einem Dolch in der anderen Hand. Ich übernahm das nötige Pappattu für Seg, der den angebotenen Pokal mit Begeisterung entgegennahm. Bevor wir uns zu der abendlichen Unterhaltung niedersetzten, versuchte ich Näheres über den Stand der Dinge herauszubekommen. Brory wollte davon nichts wissen. Seine neue Frau hatte Zwillinge zur Welt gebracht, und er war außerordentlich stolz auf die Kinder – und auf seine Gemahlin. Er hatte ihr einen neuen Namen gegeben: Basalma die Schöne und Freigebige.
Wir stießen pflichtschuldig auf die Säuglinge an. Seitdem die Banden nach dem Erdbeben Seite an Seite gearbeitet hatten, war viel von der früheren Feindschaft verflogen. Natürlich bestahlen sie sich noch und versuchten, gegnerisches Gebiet zu erobern, das hatte sich nicht geändert, bei Krun. Aber Brory zufolge hatte die früher übliche Verbissenheit aufgehört.
Ich saß gemütlich mit einem Pokal in der Hand da und machte mich für die gleich beginnende Liederrunde bereit, als ich mit unterdrückter Belustigung und einer Spur Bewunderung sah, daß Seg seine Schreibtafel hervorholte. Er war bereit, jedes ihm unbekannte Lied niederzuschreiben.
Da flammte am Rand meines Gesichtsfeldes ein winziger Lichtblitz auf – türkisfarbenes Licht.
Ich drehte sofort den Kopf. Das Türkislicht verschwand.
Lopy der Lahme holte eine Flöte hervor, und Nath der Laute stimmte eine Hummummba, ein Instrument, das große Ähnlichkeit mit einem Banjo hat. Die ersten Töne von ›Die Abgründe der Hölle verblassen gegenüber meiner Geliebten‹ erklangen. Münder öffneten sich, es wurde tief Luft geholt, jeder machte sich bereit, in den Refrain einzustimmen. Ein kalter Luftzug strich über die Versammlung. Tiefe Stille kehrte ein. Eine Gestalt im schwarzen Gewand und mit hohem schwarzen Zylinder trat ein – durch die geschlossene Tür.
Mir war sofort klar, welch schreckliche Neuigkeiten San W'Watchun überbrachte. Das befürchtete Unglück war zur Realität geworden. Wir standen einer absoluten Katastrophe gegenüber.
18
Nath Javed – Nath der Verstockte, der alte Hieb-und-Stich – sagte: »Bei Vox, Jak! Endlich wieder losziehen und Abenteuer erleben! Diashum! Unzweifelhaft großartig!«
Seg warf dem
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