5 Farben Blau
Brille und noch strengerem Blick erscheint wie aufs Stichwort auf der Bildfläche.
»Susan? Melissa möchte gehen, begleitest du sie bitte hinaus?« Seine Stimme ist tonlos, aber das, was er so höflich formuliert, ist ein knallharter Rausschmiss.
Melissa Alesandro wischt mit einem Taschentuch, das Susan ihr reicht, ihre Tränen fort und drückt ihren Rücken durch. »Danke, ich finde allein hinaus.« Sie rauscht erhobenen Hauptes davon und der Aufzug ist sofort zur Stelle. Natürlich ganz anders als bei mir, ich würde sicherlich Minuten auf dieses Ding warten müssen, während ich die Blicke aller Anwesenden in meinem Rücken spüre. Ich wünschte, ich hätte diese Würde bei meinem Rausschmiss in Honolulu an den Tag legen können.
Still und bewegungslos sitze ich da und traue mich nicht, auch nur einen Mucks von mir zu geben. Beflissen übersehen ich Cunninghams Blick, der mich streift und dann an mir hängenbleibt, wie ich aus dem Augenwinkel erkennen kann. Ich blicke ihn dann doch an und er starrt schon wieder, nicht hinter Melissa her, sondern mich an. Vor Verlegenheit werde ich rot, das spüre ich an meinen erhitzten Wangen. Nach einigen Sekunden löst er den Blickkontakt – ich bin dazu nicht in der Lage – und ich atme erleichtert aus. Mir war nicht bewusst, dass ich den Atem angehalten habe.
»Susan!« Ein Wort, ein Befehl. Eine grauhaarige Frau rückt ihre Brille zurecht, aber ihre Miene bleibt unbewegt, als sie sich geschäftsmäßig auf den Weg in Cunninghams Büro macht. Niemanden scheint der Auftritt von Melissa Alesandro sonderlich zu wundern, alle gehen zur Tagesordnung über, als hätten sie ihn schon des Öfteren miterlebt.
Das ist definitiv nicht der Ort, an dem ich arbeiten möchte. Ich schnappe meine Unterlagen und erhebe mich. Vielleicht sollte ich Alex eine Nachricht hinterlassen und dann einfach über das Treppenhaus in die nächste Etage verschwinden.
Claudia sieht, dass ich mich erhoben habe . Sie will etwas sagen, doch in diesem Moment öffnet sich die Tür zu Cunninghams Büro.
»Miss Darling, wenn ich Sie bitten dürfte .«
~
Rhys Cunningham steht mit tief in seinen Hosentaschen vergrabenen Händen am Fenster und starrt hinaus. Die Sonne strahlt, doch ihm ist nicht nach hellem Licht. Er wünscht, es würde regnen. Aus dem Augenwinkel nimmt er eine Bewegung wahr und dreht sich um.
»Sorge bitte dafür, dass Melissa der Zugang zu meinem Appart ement in New York entzogen wird.«
Susan Whitehead nickt und blickt ihn streng durch die Brille an. »Solche Auftritte sind nicht gut für dein Image. Sie sorgen für Tratsch und Unruhe.«
Rhys nickt ergeben. »Ich weiß, ich habe bereits gestern Schluss gemacht. Sie konnte es wohl nicht glauben, dass ich es ernst meine. Sehe ich so aus, als würde ich nicht meinen, was ich sage? Verflucht !« Er fährt sich mit den Händen über sein Gesicht. »Sage für heute alle weiteren Termine ab. Wer ist übrigens diese junge Frau, die dort draußen im Wartebereich sitzt?«
»Das ist Ale xʼ Schwester. Hast du noch nie ihr Bild auf seinem Schreibtisch gesehen? Ich denke sie wartet auf ihn. Er hat mir erzählt, dass er sie vorübergehend als Assistentin einstellen will.«
»Was will er mit einer Assistentin ?«
Obwohl Susan als die bestinformierte Person in diesem Unternehmen gilt, hebt sie die Schultern. »Ich habe keine Ahnung .«
»Hast du es dir mit deiner Kündigung noch einmal überlegt, Susan ?« Cunningham wendet sich endgültig vom Fenster ab und setzt sich geschäftsmäßig hinter seinen Schreibtisch.
Susan rückt ihre Brille zurecht. »Ja, Rhys, und ich bleib e dabei, in drei Monaten werde ich mich zur Ruhe setzen und nur noch in New York leben. Ich bin über sechzig und habe schon für deinen Großvater gearbeitet, lass mir meinen wohlverdienten Ruhestand.«
Er macht eine entschuldigende Handbewegung. »Hast du eine neue Assistentin für mich gefunden, die du noch einarbeiten kannst?«
Nachdenklich schüttelt Susan den Kopf. »Niemand en, mit dem du zufrieden wärst.«
Rhys nickt. »Wie wäre es mit Ale xʼ Schwester?«
~
Scheiße, ich kann nicht mehr weg! Susan steht ungeduldig an der Tür und wartet auf mich. Da ich nun schon stehe, bleibt mir nichts anderes übrig, als ihr in das Büro zu folgen, in der Erwartung, dort auf Alex zu treffen.
Der Raum ist groß, nein, er ist gewaltig. Vor der gläsernen Fensterfront steht ein riesiger Schreibtisch mit einem hochmodernen Bildschirm im Apfeldesign. Zur linken Seite steht ein
Weitere Kostenlose Bücher