5 Farben Blau
Qualitäten als Lügnerin.
»Er sieht sehr gut aus, ich könnte mir denken, dass sich viele Studentinnen für ihn interessieren .«
Ich lächele gequält. »Ja, Hunter hat eine Menge weiblicher Fans.«
»Sollte man bei einem Mann Anfang fünfzig gar nicht vermuten .«
Ich greife gerade nach meinem Glas Mineralwasser und halte mitten in der Bewegung inne.
»Moment, woher weißt du, wie alt Hunter ist?«
Ich sehe, wie Rhys für eine Sekunde die Augen zusammenkneift, als müsse er sich konzentrieren.
»Gut geraten?«, kommt es als Antwort, mehr Frage, denn Erklärung.
Nervös schaue ich Rhys an und kann in diesem Moment nicht glauben, was sich da in meinem Kopf für ein Gewitter zusammenbraut. Rhys, der nervös an seinem Ring dreht, winkt der Kellnerin. »Können wir bitte bestellen?«
Ungläubig schüttele ich den Kopf. Ich lehne mich auf dem Stuhl zurück, vermutlich um etwas Zeit zu gewinnen und das Gehörte zu begreifen. Doch ich komme immer wieder zu dem gleichen Ergebnis und Rhy sʼ Blick spricht Bände. »Das kann ich nicht glauben«, zische ich wütend und laufe ohne Rücksicht auf Verluste, so schnell ich kann, aus dem Restaurant.
~
Glück muss man haben. Vor dem Restaurant erwische ich ein Yellow Cab und lasse mich die wenigen Blocks zum CuDa Gebäude fahren. Ich muss Klarheit haben , ist mein einziger Gedanke. Was auch immer Rhys angestellt hat, um an diese Information zu kommen, ich will es jetzt sofort wissen. In Windeseile betrete ich das Penthouse und steuere direkt auf das Arbeitszimmer zu, das ich bisher noch nie betreten habe. Ich bin mir sicher, wenn es Antworten auf meine Fragen gibt, dann hier.
Eilig ziehe ich die Schubladen des Schreibtisches auf und werde direkt in der ersten fündig. Ein brauner Umschlag fällt mir in die Hände. Er ist nicht verschlossen, daher schaue ich hinein und ein Bild von Hunter am Strand, nach dem Surfen, kommt zum Vorschein. Weiterhin enthält der Umschlag ein Dossier mit allen möglichen Informationen über ihn, angefangen vom Geburtsdatum über Kontostände bis hin zu seinen sexuellen Vorlieben. Ich kann es nicht fassen!
Einer inneren Eingebung folgend, wühle ich weiter in der Schublade, bis ich auf den nächsten Umschlag stoße. Ich schaue mir nur das erste Blatt an. Das Foto trägt mein Gesicht.
Wie in Trance nehme ich eine Bewegung an der Tür wahr. Dort steht Rhys mit angstgeweiteten Augen, raschem Atem, die Haare wild in der Stirn hängend, als wäre er die wenigen Blocks zu Fuß gerannt.
»Ich hoffe, du weißt, dass du hier gerade einen Einbruch begehst«, sagt er in einem Tonfall, der mir das Blut in den Adern gefrieren lässt.
Meine Augen verengen sich, als ich langsam auf Rhys zugehe. »Ich fasse es nicht, dass du zu so etwas fähig bist. Du hattest niemals vor, dich heute mit Trish zu treffen, oder? Du schickst Leute los, die in meinem Leben und dem Leben anderer Menschen herumschnüffeln?«, schreie ich ihn an.
»Ich gehöre zu den zwanzig reich sten Männern der Welt. Da ist Gutgläubigkeit ein Luxus, den ich mir nicht leisten kann.«
»Sagt dir das Wort Vertrauen etwas?« Nun ist mein Tonfall genauso so kühl, wie der von Rhys. »Mit deinem Verhalten degradierst du dein Ich liebe dich zur absoluten Belanglosigkeit. Weißt du, Rhys, hinter all deinem Kontrollverhalten steckt nur eines – eine unbändige Angst, nicht geliebt zu werden. Du fürchtest das, worauf ich mich am meisten gefreut habe: unsere Liebe! Doch mit deiner Angst machst du alles kaputt. Scher dich zum Teufel, du Scheißkerl!«, zische ich zum Schluss kaum hörbar und verlasse die Wohnung.
Noch nie bin ich mir so verraten vorgekommen, wie in diesem Moment. Er hat noch nicht einmal versucht, mich zurückzuhalten, das zeigt mir deutlich, was ich ihm wirklich bedeute. Selbst Hunters Intrige kommt mir dagegen wie ein dummer Jungenstreich vor. Ich bin so wütend, dass ich nicht einmal weinen kann. Ich möchte einfach nur noch nach Hause, zurück nach Frankfurt. Ohne Gepäck, ohne eine Nachricht zu hinterlassen.
Auf der 5th Avenue halte ich ein Taxi an und bitte den Fahrer , mich zum nächsten Flughafen zu fahren. Als die blinkenden Leuchtreklamen an mir vorbeifliegen, stehlen sich zwei dunkelblaue Augen in mein Gedächtnis, die mich traurig anblicken, weil sie am kommenden Sonntag vergeblich auf mich warten werden. Die Augen eines kleinen einsamen Jungen.
Fortsetzung folgt in:
4 Platin Geheimnisse
Danksagung
Mein Dank gilt allen, die mir bei diesem Buch
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