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Isenhart

Isenhart

Titel: Isenhart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Karsten Schmidt
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1.
Anno Domini 1171

    igimund von Laurin, Fürst und Herrscher über die Ländereien derer von Laurin, hatte ihnen untersagt, jemals ein Wort über die Begebenheit zu verlieren, die sich im Winter 1171 in ihrer Mitte ereignet hatte.
    Er stand in ihrer armseligen Hütte, von Hühnern und Schafen beglotzt, ein Herr mit einem ebenmäßigen Antlitz und Gewändern, die nicht nach Rauch und Mist rochen, sondern noch den Duft eines Bratens mit sich trugen. Reh vielleicht, aber diesen Geruch hatte Irmgard nur einmal in ihrem Leben aufschnappen können. Das war viele Jahre her, und so war sie sich nicht ganz sicher.
    »Niemals«, befahl Sigimund von Laurin, »verlierst du oder deine Tochter auch nur ein Wort über den Fremden.«
    In seiner Stimme schwang keine Drohung mit, daran konnte sie sich am besten erinnern, weil es sie am meisten beeindruckte. Der Herr stellte es einfach fest, während sein klarer Blick in ihrem ruhte. Sie und Therese beeilten sich zu nicken.
    Irmgard ahnte, dass der Fremde für Sigimund von Laurin gar kein Fremder war.
    Woher der Mann gekommen war, hatte Irmgard nicht sagen können. Für sie und ihre störrische Tochter Therese, die ihr bei ihren Hebammendiensten zur Hand ging und im Sommer einen armen Bauern heiraten würde, obwohl sie von Landwirtschaft so viel verstand wie eine Haselnuss, kam er sprichwörtlich aus dem Nichts.
    Sie wuschen Loretta, die Tote, als es passierte. Vor der Hütte hatte sich eine Handvoll Bewohner der kleinen Siedlung versammelt, zumeist Frauen und Kinder. Einige, die in die Hütte schauen und einen Blick auf das blasse Gesicht der jungen, toten Frau erhaschenkonnten, bekreuzigten sich. Sie steckten die Köpfe zusammen und tuschelten.
    »Soll ich den Bastard waschen?«, fragte Therese. Die Stimme ihrer Tochter war frei von jedem Eifer.
    Irmgard schüttelte den Kopf. Nur Augenblicke zuvor hatten sie den Säugling aus Lorettas totem Schoß geborgen, um auch dessen Tod festzustellen. Die Nabelschnur hatte ihn erwürgt, bevor er das Licht dieser Welt erblicken konnte. Sie hatten das Bündel auf den Haufen voller blutiger Decken geworfen, von dem sich sein blau angelaufener Kopf fast unheimlich abhob.
    »Wer seid Ihr?«, hörten sie aufgeregte Stimmen von draußen.
    »Kein Diener des Herrn«, erwiderte ein Mann.
    Dann erstarb das Tuscheln. Jemand trat in das Licht, das die Sonne durch den Eingang in die Hütte warf, die ansonsten keine Öffnung nach draußen aufwies, sodass im Inneren ein stetes Halbdunkel herrschte. Lediglich eine kleine Feuerstelle warf tanzende Schatten an die Wände.
    Irmgard und Therese schauten auf die Gestalt im Eingang. Der Mann verharrte dort, damit sich seine Augen an die Lichtverhältnisse gewöhnen konnten. Kurz nur, dann trat er ganz ein. Er trug einen schmutzigen grauen Umhang, der von Rissen und Mottenlöchern durchzogen war. Die nackten Füße des Mannes steckten in Ledersandalen, sein Gesicht wurde nicht von dem struppigen grauen Bart dominiert, sondern von einem Paar strahlend heller Augen. Seine Hände waren schmutzig, er war mager, aber sehnig. Irmgard spürte seine Kraft, als er an das Lager aus Stroh und Tuch trat, auf dem Loretta lag.
    »Sie ist tot«, stellte er fest.
    »Ja«, antwortete Irmgard, die nun ihre Fassung wiedererlangte, »was wollt Ihr?«
    Der Fremde bedachte sie nur mit einem kurzen Blick. Im Nu war er bei der Feuerstelle, griff einen brennenden Scheit und hielt ihn über die Tote. Seine Augen wanderten forschend über ihr Gesicht, dann nickte er sich kaum merklich selbst zu.
    »Was ist passiert?«
    »Sie ist verblutet«, antwortete Therese. Sie hatte sich unwillkürlich geduckt.
    »Und das Kind?«, fragte der Fremde drängend. Irmgard spürte, wie sich die kleinen Härchen auf ihrem Unterarm aufrichteten. Therese sah zum Ausgang und bemaß die Chance, ihn ungehindert zu erreichen.
    »Das Kind«, sagte der Mann jetzt eindringlich. Er hatte sich zu Irmgard hinabgebeugt, sodass ihre Gesichter keine Armeslänge voneinander entfernt waren.
    Irmgard deutete mit dem Kopf in die Richtung des toten Säuglings. »Tot seit der fünften Stunde. Es ist an der Nabelschnur erstickt.«
    Sofort trat der Fremde zu den blutverschmierten Tüchern, in denen der tote Säugling mit der blauen Haut lag. Eilig packte er das kleine Bündel Mensch, hob es hoch und betrachtete es rasch im Schein des Scheits, den er nun fallen ließ. Trotz des fehlenden Lichts konnte Irmgard genau sehen, was sich dann ereignete.
    Der Fremde hob den Kopf des

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