52 Verfuehrungen - Ein Paar Holt Sich Die Lust Zurueck -
höflich, mich darauf anzusprechen, oder vielleicht fehlten ihm auch die Worte. Nach einer Weile begehrte er nicht etwa gegen meinen Widerstand auf, sondern regulierte sein Verlangen herunter, um es meinem anzupassen.
Dieses Verhaltensmuster hat Bettina Arndt in ihrem Buch The Sex Diaries anschaulich geschildert. Ein Partner hat genug
vom Sex und der andere steht mit dem beschämenden Gefühl der Zurückweisung da und fragt sich, von welchem Punkt an die Sache schiefgelaufen sein mag. In den meisten Fällen sorgt die Frau für das Ende der Erotik, aber sicher nicht immer.
Wenn in Beziehungen zu oft Nein gesagt wird, dann wird ein Ja oft überhört. Für mich war die Möglichkeit, Nein zum Sex zu sagen, immer ein unantastbares Vetorecht. Herbert hat sich dazu nie geäußert, und ich habe ihn auch nie nach seiner Meinung gefragt. Ich habe mich nur einseitig vom Sex zurückgezogen.
Natürlich müssen Frauen das Recht haben, nein zum Sex zu sagen, unabhängig davon, ob sie zu dem Partner, dem sie sich verweigern, eine Beziehung haben. Aber was passiert, wenn wir immer nur dankend ablehnen? Was, wenn wir uns auch Liebhabern verweigern, die liebevoll und aufmerksam sind, die uns Treue geschworen und diese gehalten haben, die wissen, sie könnten uns Lust bereiten, wenn wir sie nur ließen? Was sollen unsere Liebsten dann tun?
Mir wird jetzt klar, dass ich die Quartiermeisterin des Sex war, ich teilte sexuelle Gunst zu, als stünden wir unter Belagerung. Dabei ist mir nicht einmal ganz klar, wie es dazu kam. Ich schätze, dass ich, wie so viele Frauen, das permanente männliche Verlangen als Schwäche, als Unfähigkeit zur Selbstkontrolle betrachtete. Als ich mich in einer dauerhaften Beziehung wiederfand, hatte ich von der fordernden männlichen Begierde die Nase bereits gestrichen voll. Denn eine Teenagerin zu sein bedeutet, von sehr unterschiedlich
attraktiven Männern begrapscht, genötigt, angebaggert und ausgetrickst zu werden. Als ich Herbert im Alter von 18 Jahren kennen lernte, war mein Bedarf in dieser Hinsicht bereits gedeckt.
Im Laufe der Zeit bemerkte ich, dass auch meine Freundinnen sich vom Sex zurückzogen. Sobald wir solide Partnerschaften eingegangen waren, wurden Gespräche über unser Sexleben zum Tabu. Einige Jahre später folgten die argwöhnischen Geständnisse. Wir machen es eigentlich nicht mehr. Der übliche Tenor bei diesen Gesprächen war, dass man eigentlich erleichtert darüber wäre, dass im Bett nichts mehr liefe; wir bevorzugten eine ungestörte Nachtruhe. Ich frage mich, wie viele von uns das tatsächlich glauben. Ich habe festgestellt, dass ich in der Öffentlichkeit meine Dankbarkeit für das Ende meines Sexlebens kundtat, während ich insgeheim darum trauerte. Ich hätte ein Tabu gebrochen, wenn ich nicht in den Chor der sexmüden Ehefrauen eingestimmt hätte. Also leistete ich meinen Beitrag und verstärkte die unattraktive Schwesternschaft. Das war eine spezielle Form von Machtspiel, bei dem es darum ging, dass keiner mehr Spaß haben sollte als man selbst.
Jetzt erscheint mir Sex dagegen wieder als einfaches, leicht zugängliches Vergnügen, das mir ebenso viel gibt wie Herbert. Es mag vielleicht schwer sein, Sex und Macht streng zu trennen, aber diese Macht muss sich ja nicht zwangsläufig gegen den Partner richten. Sex ist kein Kampf, sondern ein Gewinn für beide. Warum habe ich das nicht schon früher erkannt?
Die einzige Antwort, die mir dazu einfällt, lautet: Frauen haben eine Hierarchie der verschiedenen Formen von Liebe, und die sexuelle gilt als die niederste. Dummerweise scheinen wir zu glauben, wir könnten die sexuelle Liebe einfach überwinden, sobald sie sich die Partnerschaft in etwas Tiefschürfendes (wie eine Ehe) verwandelt hat, und dann einfach abhaken.
Männer sehen das naturgemäß anders – für sie ist das alles ein und dasselbe. Sex ist für einen Mann nicht der arme Verwandte der Liebe, sondern vielmehr eine Gewohnheit, durch die wir all das Wunderbare, das damit einhergeht – Vertrauen, Verlangen, Nähe und Ekstase – ausleben.
Verführung Nr. 5
ERFAHRUNG UND UNSCHULD
E s ist Samstagnachmittag, und ich esse gerade Toast mit Käse, als Herbert seine nächste Verführung ankündigt.
Ich merke, dass er ein bisschen nervös ist. Seit zehn Tagen sind wir aus Paris zurück, und seit elf Tagen haben wir nicht mehr miteinander geschlafen. Wegen Weihnachten und Silvester waren wir ziemlich beschäftigt. Ich musste ihn sogar schon daran erinnern, sich
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