52 Verfuehrungen - Ein Paar Holt Sich Die Lust Zurueck -
die extreme Schüchternheit als eine Art Nachlässigkeit betrachten, daher würde mich Lars im richtigen Leben sicherlich irritieren. Aber das würde auch für Dorothy gelten. In meiner Interpretation ist sie ziemlich mütterlich (zumindest
scheint Lars diesen Charakterzug bei mir anzusprechen) und palavert viel zu viel über Yoga und das Druidentum.
Schon oft habe ich zu Recht darüber gejammert, dass Herbert auf Fragen von mir kaum Antwort gibt. In seiner Rolle als Lars übertreibt er das auf geradezu absurde Weise. Ich habe Mühe, ihm vollständige Sätze abzuringen, und den Eindruck, das Gespräch praktisch allein zu bestreiten. Ich frage mich, wie diese beiden Menschen eigentlich je zur Sache kommen sollen. Im wahren Leben würden sie das sicher nicht, so viel steht fest. Lars ist kein sexy Typ. Ich bringe das Gespräch auf tantrischen Sex, ein Thema, über das ich rein gar nichts weiß.
Zum Glück gibt das Lars Gelegenheit, seine totale Unerfahrenheit zu gestehen und auch seinen Wunsch, diesen Zustand zu ändern. »Würdest du dir gern von einer erfahreneren Frau den Weg dorthin zeigen lassen?«, frage ich.
Lars hält das für eine gute Idee. Also lade ich ihn nach oben »in meine Wohnung« ein und führe ihn an der Hand die Treppe hinauf.
Bevor es losgeht, frage ich mich, wie dieser Lars wohl im Bett sein wird – stürmisch in seiner Unsicherheit oder schüchtern und gefühlsduselig? Weder noch, wie sich herausstellt – stattdessen legt er eine leise Ehrfurcht an den Tag. Er möchte die nackte Dorothy betrachten und ihr sagen, wie schön er sie findet. Das macht mir nicht das Geringste aus, selbst als er nach einem meiner Füße greift, ihn streichelt und ihn als hübsch bezeichnet. Wie du meinst, Lars.
Der zweite Fuß-Zwischenfall ereignet sich, als Lars mich bittet, ihm mit meinen Füßen einen runterzuholen. »Wie
hast du dir denn vorgestellt, dass ich das hinkriegen soll?«, frage ich und versuche, ganz Dorothy und ganz spirituell zu bleiben. Lars meint, es müsse gehen, wenn er sich auf die Seite legt. Ein paar quälende Sekunden lang bemühe ich mich, aber offen gestanden fehlt mir die dazu nötige Bauchmuskulatur. Außerdem findet Lars das Ganze sowieso noch schneller langweilig als ich.
Als wir später darüber reden, gibt Herbert zu, er habe sich das mit dem Fußfetischismus nur ausgedacht, damit Lars etwas interessanter wirkte.
»Dann hat das nichts mit deinen eigenen, tief verborgenen Sehnsüchten zu tun?«, frage ich.
Er sieht mich entsetzt an. »Gott bewahre, nein.«
Dem Himmel sei Dank. Wir sind uns darüber einig, dass der Sex zwischen Dorothy und Lars okay war, aber nicht besser als der von Betty und Herbert, wahrscheinlich sogar ein bisschen weniger leidenschaftlich. Ich fürchte, dieser lahme Lars war nicht wirklich mein Typ. Umarmungen dürfen bei mir gern ein bisschen leidenschaftlicher ausfallen. Ich vermute, Herbert fand ihn auch ein bisschen langweilig. Auf alle Fälle beharrt er darauf, dass das Szenario absolut nichts mit seiner eigenen Entjungferung zu tun hätte. Als ich ihn auf Ähnlichkeiten mit lebenden Personen hinweise, reagiert er ein wenig verlegen. Also lasse ich das Thema auf sich beruhen.
Was mich erstaunt, ist, wie leicht es mir fiel, in die Rolle zu schlüpfen – ich kam mir längst nicht so dämlich darin vor,
wie ich befürchtet hatte. Es erinnert mich an das Verkleiden in der Kindheit, wenn man in der Figur, die man spielte, total aufging. Ich denke, der Trick beim Rollenspiel ist, dass man voll und ganz bei der Sache sein muss – jedes Zwinkern oder verschwörerisches Anstupsen erzeugt Befangenheit. Ein weiterer Trick besteht darin, sich eine Szene auszudenken, die mindestens einer der Partner erregend findet.
»Rückblickend«, sage ich, »hätte ich es doch vorgezogen, wenn du den Waschmaschinenmechaniker gegeben hättest.«
»Ja«, meint Herbert, »da könntest du Recht haben. Ich wollte ein zu plattes Klischee vermeiden, aber vielleicht braucht man genau das.« Er überlegt eine Weile. »Hast du auch den typischen Hausfrauenslang drauf?«
Endlich ist der große Tag gekommen: meine Vaginoskopie. Davon träumt doch jedes Mädchen, oder? Wie es auf dem Infoblatt, das sie mir vor der Prozedur aushändigen, so tröstlich heißt, sind die Untersuchungen in den meisten Fällen ohne Befund. Ich habe gerade rechtzeitig damit aufgehört, mich mit der Frage »Und was, wenn es Krebs ist?« zu quälen. Denn diese Frage ist rein rhetorisch. Ich weiß,
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