52 Verfuehrungen - Ein Paar Holt Sich Die Lust Zurueck -
Schlafzimmer betreten, haben wir beide absolut keine Lust. Ich habe zu viel gegessen, und Herbert ist erschöpft. Komatöser Tiefschlaf wäre uns im Moment lieber.
»Vielleicht werfen wir eine Münze«, schlage ich vor, »und der Gewinner darf alles verschlafen.«
»Unfair«, sagt Herbert, der ganz genau weiß, dass ich bei so was immer höllisches Glück habe.
»Okay, für welche Stellung braucht man am wenigsten Energie?«
»Löffelchen.«
»Dann machen wir eben das.«
Ich lege ein Handtuch unter uns und drehe Herbert den Rücken zu, als würde ich glauben, man könne auf Knopfdruck loslegen. Das ist ziemlich optimistisch. Der arme Herbert plagt sich, eine Erektion hinzukriegen, und mir ergeht es mit meiner Lust auch nicht viel besser.
»Wir brauchen Gleitcreme«, sage ich. Wie ich ja bereits erwähnt habe, betrachtet Herbert die Verwendung von Gleitmitteln üblicherweise als persönlichen Affront, doch heute Abend ist er milde. Er stapft ins Bad und kommt mit der Tube zurück. Ich streiche etwas auf mich und etwas auf ihn. Dann
raffe ich mich in einem Anflug von Fantasie auf und drehe mich aus der klassischen Löffelchen-Stellung (die ich noch nie besonders mochte – der Winkel ist mir zu unbequem) in eine T-Position. Dabei bleibt er auf der Seite liegen, und ich lege mich im rechten Winkel zu seiner Leiste; meine Beine ragen dabei über seine Hüfte.
Diese Stellung haben wir nicht oft gemacht, und sofort frage ich mich, warum eigentlich, denn ich finde sie hervorragend. Bequem und nicht so einengend; außerdem werden dabei ungewohnte Stellen berührt. Ich glaube, Herbert mag solche Positionen weniger gern, weil sie ihm zu distanziert und unpersönlich vorkommen. Aber heute Abend ist das genau richtig, denn wir sehnen uns ja beide nach ein bisschen Raum für uns allein.
Während wir so munter vor uns hin ruckeln, merke ich auf einmal, dass mir schlecht wird. Daran bin ich ganz allein schuld. Ich habe noch einen Schokoladenpudding gegessen, der definitiv nicht nötig gewesen wäre, und das rächt sich jetzt. Ich frage mich, ob ich wohl bis zum Ende durchhalten werde.
»Komm einfach, wenn du möchtest«, sage ich. »Halt dich wegen mir nicht zurück.«
»Ebenso«, erwidert er und lacht. Ja, schon gut, Herbert, mach dich nur über das zarte und komplizierte Gleichgewicht des weiblichen Orgasmus lustig.
Er erhöht das Tempo ein bisschen, und ich gebe ein paar ermutigende Laute von mir. Es ist auch tatsächlich nicht unangenehm. Der große Vorteil von täglichem Sex ist, soweit
ich das im Moment beurteilen kann, das Gefühl, etwas geleistet zu haben. Es ist ein bisschen wie das Saubermachen des Kühlschranks – hinterher zu wissen, dass man es gemacht hat, genügt schon.
Herbert kommt, lässt sich auf den Rücken fallen und sagt: »Gott sei Dank, wir sind über den Berg.« Dann beeilt er sich, noch hinzuzufügen: »Ich meine, das war sehr schön …«
»Schon gut, ich weiß, was du meinst«, sage ich und ziehe mich dann ins Bad zurück, wo ich überlege, ob es für mein Wohlbefinden besser wäre, meinen Mageninhalt bei mir zu behalten oder nicht.
Im Geiste notiere ich mir: Morgen Verführung vor dem Abendessen.
TAG FÜNF
Was mich an dem Quatsch mit dem täglichen Sex am meisten erstaunt, ist, wieviel Zeit man dafür braucht. Tut mir leid, das so sagen zu müssen, aber normalerweise verbringe ich meine Abende nicht damit, dass ich herumlungere und mich frage, was ich tun könnte. Daher gibt es in meinem Tagesplan keine offensichtliche Lücke, die nach Sex schreit.
Der heutige Abend ist gleich ein gutes Beispiel dafür: Wir haben für acht Uhr einen Tisch in einem Restaurant ein paar Orte weiter bestellt, und Herbert hat ausgemacht, dass wir vorher noch bei einem Freund vorbeischauen. Ich war den ganzen Tag für eine Besprechung außer Haus, und wir kommen beide erst um halb sieben nach Hause. Das lässt uns gerade mal dreißig Minuten für Sex. Herbert erklärt, dass
er vorher unbedingt noch duschen muss. Ich frage ihn, ob wir es in dem Fall nicht doch besser auf nach dem Essen verschieben.
»Nein«, sagt er, »komm doch mit in die Dusche.« Das ist ein nettes Angebot, weil wir beide Sex unter der Dusche hassen. Wir sind ziemlich groß, und deshalb ist es uns in der Dusche einfach zu eng. Ich finde es außerdem rutschig und deshalb geradezu gefährlich. Und immer befindet sich nur einer unter dem warmen Wasserstrahl, während der andere friert. Am schlimmsten finde ich aber, dass es so bremst.
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