57 - Die Liebe des Ulanen 03 - Die Spione von Paris
Junggesellenwirtschaft. Die Staffelei stand hinter dem Bett; auf dem Waschtisch lag ein Stiefel und auf dem Ofen eine alte Geige. Es herrschte die schönste Unordnung, welche man sich nur denken kann. Der Kleine saß auf der Diele, hatte eine Menge alter Bilder um sich liegen und machte sich mit ihnen und einem riesigen Schwamm zu schaffen, den er abwechselnd in Wasser und andere Flüssigkeiten tauchte, um dann damit über die Gemälde zu wischen. Er blickte bestürzt auf, als Haller eintrat; sobald er aber diesen erkannte, sagte er:
„Gott sei Dank! Ich dachte, es wäre jemand anders! Ich bin gerade nicht in meinem Paradeanzuge. Donnerwetter, wo sind meine Hosenträger!“
Er war nämlich vom Boden aufgestanden und kam dabei in Gefahr, seine Beinkleider zu verlieren. Haller warf einen raschen Blick umher, deutete dann nach dem Waschbecken und sagte:
„Dort im Waschbecken, im Wasser liegen sie.“
„Dort? Wirklich? Alle Wetter, ja! Wie sind sie nur da hineingekommen! Na, lederne Hosenträger und in Wasser eingeweicht! Tut aber nichts. Und die Weste? Wo in aller Welt mag diese stecken!“
„Guckt sie nicht dort aus dem Stiefelschaft heraus?“
„Ja, richtig! Ich wußte wohl, daß ich sie sehr gut aufgehoben hatte! Na, während ich mich ankleide, lassen Sie sich nieder, mein lieber Herr Kollege! Freut mich, daß Sie mich so bald besuchen. Haben Sie Logis gefunden?“
„Ja, sogleich.“
„Also das, was im Blatt angekündigt war?“
„Dasselbe. Ich wohne bei einer Witwe. Ihr verstorbener Mann war Ministerialbeamter.“
„Äußerer oder innerer?“
„Innerer. Sein Sohn aber ist im äußern angestellt.“
„Das bleibt sich Pudding! Minister ist Minister. Gefällt Ihnen die Wohnung?“
„Ja. Die Leute scheinen anständig zu sein.“
„Gut geschlafen?“
„Ja.“
„Geträumt?“
„Sehr. Von einem hübschen jungen Mädchen, welches ich gestern abend kennengelernt habe.“
Der Dicke hatte unterdessen die Weste und den Rock angezogen. Jetzt stellte er sich vor Haller hin und sagte:
„Wunderbar! Ganz auch mein Fall! Habe auch von einer jungen Dame geträumt. Was ist die Ihrige?“
„Gesellschafterin.“
„Donnerwetter! Die meinige ist Gouvernante.“
„Doch nicht etwa die aus dem Tharandter Wald?“
„Natürlich die! Welche denn sonst! Dieses Weibsen hat mir's angetan. Das Herz hängt mir wie ein gewaltiger Pudding zwischen den Rippen. Es schwillt auf, es wird von Minute zu Minute größer, als wenn ich für zwanzig Taler Hefe verschlungen hätte. Habe gar nicht geglaubt, daß die Liebe gradso wie Hefe wirken kann.“
„Poetischer Vergleich!“ lachte Haller.
„Und zutreffend, außerordentlich zutreffend! Wie gesagt, es treibt und bläst mich auf. Ich muß dieses Mädchen kriegen; es muß Frau Hieronymus Aurelius Schneffke werden, sonst falle ich wieder zusammen wie ein Dudelsack, der ein Loch bekommen hat!“
Haller hatte die Kaffeemühle und das Rasierzeug vom Stuhl gestrichen und sich darauf gesetzt. Er warf jetzt einen forschenden Blick auf die Bilder und bemerkte dabei:
„Vogelstudien? Interessant! Wie es scheint, lauter Kolibris.“
„Ja, lauter Kolibris, Kolibris von allen Arten und in allen Stellungen.“
„Wem gehören die Bilder?“
Schneffke machte ein sehr erstauntes Gesicht und antwortete: „Wem? Überflüssige Frage! Dem Kolibri natürlich!“
„Wer ist denn das?“
„Ah, richtig! Sie sind hier fremd, Sie können das nicht wissen, Sie haben von ihm wohl noch nichts gehört! Ich habe nämlich einen Bekannten, eine Art Kunstmäzen; er ist ein geradezu unbegreiflicher Kerl. Ich kenne ihn bereits seit Jahren, aber ich weiß noch immer nicht, ob er arm ist oder reich, verrückt oder bei Sinnen, ein Dummkopf oder ein gescheiter Kerl, ein Kunstkrösus oder ein armseliger Knicker.“
„Das muß ein interessanter Mensch sein!“
„Ja. Er wohnt auf dieser Straße vier Treppen hoch in einem Hinterhaus, heißt Untersberg und hat die ganze Etage inne. Ich bin bereits viele hundert Mal bei ihm gewesen, habe aber nur drei Zimmer betreten können. Das eine steckt voller alter Bücher, und die beiden anderen sind berühmt wegen der Menge Bilder, welche an den Wänden hängen; aber es sind lauter Kolibris. Darum sein Spitzname. Sobald nämlich ein Anfänger der edlen Farbenkunst auftaucht, taucht auch der Gedanke bei ihm auf, sich einen Kolibri von demselben malen zu lassen.“
„Possierlich! Zu welchem Zweck?“
„Das weiß ich leider nicht. Übrigens ist er im
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