Alfred Bekker
Der Totengräber
Horror-Roman
© by Alfred Bekker
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Der vorliegende Roman erschien ursprünglich unter dem Pseudonym John Devlin und dem Titel FRIEDHOF DER LEBENDEN TOTEN
im Carl Ueberrreuter-Verlag, Wien
Ein CassiopeiaPress Ebook
Ausgabejahr dieser Edition: 2011
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1. Kapitel: Das Haus am Friedhof
Das graue Gemäuer des verwitterten Hauses wirkte düster und abweisend. Eine Aura der Fäulnis und des Verfalls umgab das Gebäude. Der Wind wehte einen leicht modrigen Geruch herüber und die Pflanzen im Vorgarten waren verdorrt, so als hätte jegliches Leben versucht, sich von diesem Ort zurückziehen. Gleich dahinter befand sich eine windschiefe, aus dem gleichen grauen Gestein gebaute Kirche – umgeben von einem Friedhof. Knorrige, seltsam verwachsene Bäume wuchsen dort, die aussahen wie dämonische Wächter, die ein magischer Bannspruch hatte erstarren lassen.
„Es wird dir schon gefallen, Brad!“
„Ja, Mom!“
„Wir machen es uns schön hier!“
„Gleich neben einem Friedhof. Na großartig!“
„Brad…“
„Wenn ich jetzt so ein abgefahrener Gruftie wäre, der sich mit Leichenöl einreibt, das Gesicht weiß anmalt und nachts schwarze Messen auf Friedhöfen feiert – dann würde ich mich freuen!“
„Brad, wir haben das doch alles besprochen.“
„Sicher!“
„Es ist nun mal nicht zu ändern.“
„Ich weiß. Aber das heißt doch noch lange nicht, dass ich es deswegen toll finden muss, oder?“
Brad stieg aus der Beifahrertür des Pick Up, dessen Ladefläche mit Umzugskartons beladen war. Eigentlich sogar über laden, aber da ihr altes Haus nur ein paar Straßen entfernt lag, hatte Mom gesagt, dass man es riskieren könnte. Schneller als zwanzig Meilen die Stunde war sie dennoch nicht gefahren. Mit gutem Grund. Unterwegs war ihnen ein kleinerer Karton auf die Straße gefallen und sie hatte anhalten müssen, um ihn wieder auf den Kasten des Pick Up zu hieven.
Brad Walker blickte seufzend zur niedrigen, etwa hüfthohen Mauer hinüber, die das Grundstück, das zu ihrem neuen Zuhause gehörte, vom Friedhof trennte.
Ein Mann war damit beschäftigt, die Gräber zu pflegen. Brad konnte nur seinen gekrümmten Rücken sehen. Der Rest seiner Gestalt verschwand hinter einer Hecke.
„Der Bus zu deiner High School in Stamford fährt gleich hier um die Ecke“, sagte Mom. „Du wirst in Zukunft also etwas länger schlafen können!“
„Super!“, maulte Brad.
„Man muss eben auch das Positive sehen! Trotz allem!“
„Tut mir leid, wenn ich im Moment nicht so’n sonniges Gemüt habe, Mom.“
„Ach, Brad!“
„Eigentlich hatte ich gedacht, ich kann ab nächstem Jahr mit dem Wagen fahren, sobald ich den Führerschein habe“, gab Brad zurück. Aber er ahnte bereits, dass auch daraus nichts werden würde. Das war nur einer von mehreren Träumen, die er wohl begraben musste. Mom seufzte.
Das allein hätte als Antwort schon völlig ausgereicht. Den Rest konnte Brad sich denken. Er konnte sich gerade noch zurückhalten und verzichtete darauf, ihre Worte mitzusprechen, was sie immer besonders ärgerte. Aber das hatte sie im Moment nicht verdient, fand er. Immerhin ging es ihr ja auch nicht gut.
„Brad, du weißt doch, wie es finanziell um uns steht.“
Brad verdrehte die Augen.
„Ja, sicher…“
„Wir werden den Pick Up verkaufen, sobald der Umzug erledigt ist. Und dann müssen wir mit einem Wagen auskommen.“
Brad schluckte. Seine Stimme klang heiser. „Ja, habe ich mir schon gedacht. Und diesen einen Wagen brauchst natürlich du, um ins Büro zu kommen!“ Zum Glück lagen jetzt erstmal Sommerferien vor ihm, sodass er sich darüber erst in drei Monaten zu ärgern brauchte.
Mrs. Dorothy Walker zögerte mit ihrer Antwort. Sie schluckte. Brad bemerkte, dass ihre Augen rot wurden. Und er selbst fühlte auch einen Kloß im Hals. Dads Tod war erst ein paar Monate her. Er war bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen und lag jetzt auf dem Friedhof von Willington, Connecticut, einer kleinen Stadt direkt an der Küste des Long Island Sound. Bis Stamford waren es nur wenige Kilometer und um nach New York zu kommen, brauchte man anderthalb Stunden mit dem Wagen.
So fern man einen Wagen hat!, dachte Brad etwas verdrießlich. Willington war ein verschlafenes Nest und Brad hätte heulen