58 - Die Liebe des Ulanen 04 - Hinter feindlichen Linien
sie.
„Gut, sehr gut! Ich bin meiner Sache nun schon gewiß. Diese Mädchen haben eine ungemeine Ähnlichkeit mit ihrer Mutter. Aber man muß dennoch bedächtig verfahren. Ich denke, Sie verschweigen ihnen zunächst noch, wer sie sind.“
„Aber etwas muß man doch tun!“
„Gewiß! Ich gehe von hier nach Ortry.“
„Zu Nanon?“
„Ja. Madelon befindet sich bei ihr. Mit dieser kehre ich nach Berlin zurück. Wer weiß, was unterwegs sich findet und herausstellt. In Berlin gehe ich sofort zu dem Alten.“
„Um ihn zu zwingen, die Wahrheit zu bekennen?“
„Das kann ich noch nicht sagen. Ich werde Ihnen schreiben. Wir müssen Hand in Hand gehen.“
„Das versteht sich! Monsieur Schneffka, wie gut ist es, daß wir Sie kennengelernt haben. Und wunderbar, Sie, ein Pole, kommen her zu uns und –“
Er stockte. Es kam ihm ein Gedanke. Dann fuhr er fort.
„Monsieur, seien Sie aufrichtig. Sie sind keine Pole!“
„Was soll ich sonst sein? Ein Buschneger?“
„Ein Deutscher. Gestehen Sie es!“
Da trat Marie näher, legte die Hand auf seinen Arm und sagte: „Wirklich? Sollten Sie ein Deutscher sein?“
„Mademoiselle, Sie hassen ja die Deutschen.“
„Was denken Sie! Ich habe Ihnen ja im Gegenteil gesagt, daß wir uns sehr für Deutschland interessieren.“
„Nun gut! So will ich es gestehen, daß ich ein Deutscher bin!“
Da streckten ihm alle drei die Hände entgegen, und Melac fragte:
„Warum haben Sie das verschwiegen?“
„Aus Vorsicht. Die hiesige Bevölkerung spricht von einem Krieg zwischen Frankreich und Deutschland.“
„Glauben Sie an dieses Gerücht?“
„So ziemlich.“
„So wünsche ich von ganzem Herzen Deutschland den Sieg. Möge Preußen kommen und Elsaß und Lothringen nehmen, damit das Unrecht früherer Zeiten gesühnt werde. Herr, nun sind Sie mir doppelt willkommen. Ihr Name wird nun wohl auch anders lauten?“
„Nicht viel anders: Schneffke anstatt Schneffka, Hieronymus Aurelius Schneffke; das ist so sicher wie Pudding.“
„Aber lassen Sie das Berteu ja nicht wissen!“
„Fällt mir ganz und gar nicht ein! Also Sie meinen, daß er von seinem Vater nichts erfahren hat?“
„Wenigstens kurz vor dem Tod nicht, da der Verwalter ganz plötzlich gestorben ist.“
„So könnte er es von früher her wissen!“
„Ja, und das scheint mir sogar sehr wahrscheinlich zu sein.“
„Wieso?“
„Es hat sich am Begräbnistag seines Vaters etwas ereignet, was mir zu denken gibt.“
„Erzählen Sie es mir, damit ich denken kann.“
„Er hat die Schwestern abends in die Pulvermühle gelockt, um Nanon in seine Gewalt zu bekommen.“
„Liebt er sie denn?“
„Wer weiß das?“
„Will er sie heiraten?“
„Man sagt es. Er weiß, daß das Mädchen wohl eine Zukunft hat. Er will an der letzteren teilnehmen, indem er Nanon zu seiner Frau macht.“
„Aber sie will ihn nicht!“
„Um keinen Preis. Daher hat er sie in die Falle gelockt.“
„Ein gottloser Mensch. Donnerwetter! Der sollte mir vor die Zündnadel kommen, wenn ich im Fall eines Krieges 'mal nach Malineau käme. Dann würde – Sapperment!“
Er bemerkte erst jetzt, daß er unvorsichtig gewesen sei. Melac aber beruhigte ihn, indem er sagte:
„Erschrecken Sie nicht. Sie sind nicht bei schlechten Menschen. Aber, wie ich höre, sind Sie also auch Soldat?“
„Landwehrsoldat.“
Da trat ein Lächeln auf die ernsten Züge des ehrwürdigen Mannes. Er sah den Maler vom Kopf bis zum Fuß herab an und fragte dann: „Sind die preußischen Landwehrleute alle so wohlgepflegt wie Sie, Monsieur?“
„Alle! Das Kommißbrot wirkt Wunder. Sie sehen ein: Kommt ein Bataillon solcher Kerls ins Laufen, so rennt es eine ganze französische Armee über den Haufen. Lassen Sie es also in Gottes Namen losgehen. Sie werden Ihr blaues Wunder sehen! Nun aber wollen wir das Porträt vornehmen, sonst wird es nicht fertig.“
Der Maler begann nun an dem Bild zu arbeiten. Die drei sahen zu und konnten sich nicht genug über seine Kunstfertigkeit wundern. Dabei wurde die Unterhaltung keineswegs ausgesetzt, und so kam es, daß, als er abends Abschied nahm, sie einander so nahegerückt waren, als ob er bereits seit Jahren in dieser Familie verkehrt habe.
Berteu behandelte ihn mit finsterer Miene.
„Ich habe Sie während des ganzen Tages nicht gesehen“, sagte er.
„Ich war nicht daheim.“
„Darf ich fragen, wo Sie gewesen sind?“
„Drüben im Schloß.“
„Im Schloß? Da wohnt doch nur der Beschließer.
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