58 - Die Liebe des Ulanen 04 - Hinter feindlichen Linien
wegen?“ fragte Melac. „So war sie Ihnen bekannt?“
„Nein, sondern im Gegenteil sehr unbekannt.“
„Sie widersprechen sich.“
„Auch das nicht. Nach dem, was ich über Sie weiß, bin ich überzeugt, daß ich mich Ihnen anvertrauen kann. In Berlin lebt ein alter, reicher Sonderling, welcher sich Untersberg nennt. Sie verstehen Deutsch. Wie würden Sie diesen Namen in das Französische übersetzen?“
„Ich würde sagen – Unters – Bas-Montagne; ah, was ist das? Sollte zwischen diesem Untersberg und der Familie Bas-Montagne irgendeine Beziehung bestehen?“
„Ganz gewiß. Ich kenne diesen Herrn. Der junge Berteu hat ihm telegrafiert, daß sein Vater gestorben sei.“
„So stand er mit Berteu in Verkehr?“
„Wie es scheint. Er ist alt und schwach; er kann also nicht selbst reisen. Ich bin der einzige, mit dem er verkehrt, und er gab mir den Auftrag, nach Malineau zu gehen und auszukundschaften, ob der alte Berteu vor seinem Tod seinem Sohn ein Geheimnis mitgeteilt habe.“
„Welches Geheimnis?“
„Das wußte ich nicht; nun aber haben wir es ja erfahren. Das Geheimnis, wer die beiden Mädchen sind.“
„Ich begreife immer noch nicht –“
„Nun, dieser Untersberg ist der Großvater der Mädchen.“
„Ah! Mag er denn nichts von ihnen wissen?“
„Nein. Sie sollen nie erfahren, wer sie sind. Ihre Mutter war eine Deutsche, eine Bürgerliche, keine Katholikin. Sein Sohn sollte sie nicht heiraten, und als er dies trotzdem tat, wußte der Alte es soweit zu bringen, daß sie ihre Kinder nahm und verschwand.“
„Mein, Gott. Das ist ja ein ganzer Roman.“
„Aber ein sehr trauriger.“
„Sie hat also ihren Mann verlassen und ist zu uns gekommen.“
„So ist es.“
„Aber dieser, ihr Mann, hat er das geduldet?“
„Sie ging heimlich, als er verreist war. Als er zurückkehrte, war sie verschwunden.“
„Hat er denn nicht gesucht?“
„O ja! Aber sein Vater hat ihn belogen und gesagt, sie sei ihm untreu geworden und mit einem andern davongegangen.“
„Welch eine Schlechtigkeit.“
„Er hat dann nach ihr gesucht und ist ebenso verschwunden wie sie. Sein Vater hat Frankreich verlassen und seinen Namen verändert. Weshalb, kann ich nicht sagen.“
„Aber woher wissen Sie das alles?“
„Ich vermute das meiste; einiges aber weiß ich ganz genau.“
Er glaubte das von den Kolibribildern, und was damit zusammenhing, noch verschweigen zu müssen.
„Aber Sie wissen genau, daß jener alte Untersberg der Großvater der Mädchen ist?“
„Ich würde es beschwören.“
„So muß er sie anerkennen!“
„Das wird er nicht tun.“
„Ich zwinge ihn.“
„Wie wollen Sie das anfangen?“
„Ich lege diese Dokumente vor.“
„Damit erreichen Sie doch nichts.“
„Beweisen sie etwa nicht, daß er der Großvater von Nanon und Madelon ist?“
„Das Gericht verlangt Beweise, Behauptungen genügen nicht.“
„Nun, wird es denn nicht möglich sein, ihm zu beweisen, daß er der Baron de Bas-Montagne ist.“
„Vielleicht gelingt es mir.“
„Gut! So haben wir gewonnen.“
„Noch gar nichts! Beweisen Sir mir, daß diese Frau Charbonnier wirklich die Baronin de Bas-Montagne war.“
„Warum sollte sie es nicht sein?“
„Und das Nanon und Madelon wirklich die Kinder des Barons Gaston sind.“
„Aber ich begreife Sie nicht.“
„Und außerdem gibt es noch weitere Lücken, welche ausgefüllt werden müßten. Man darf da nicht so sehr sanguinisch denken!“
„So sagen Sie uns, was wir tun sollen.“
„Überzeugen wir uns zunächst, ob wir selbst recht haben oder unrecht. Sehen wir einmal, ob die Frau Charbonnier die Baronin de Bas-Montagne ist.“
„Wie wollen wir das anfangen?“
„Sehr einfach. Sie haben Madame Charbonnier gekannt?“
„Ja, natürlich.“
„Bitte, sie mir zu beschreiben.“
„Es war eine sehr schöne Dame, klein, schmächtig, mit Prachtaugen und herrlichem Haar.“
„Hm! Ich habe das Bildnis der Baronin gesehen. Wollen doch einmal vergleichen.“
Er hatte seine Mappe mit. Er nahm aus derselben ein Blatt Zeichenpapier und griff zum Bleistift. Er schloß die Augen, um sich die Züge jenes Porträts zu vergegenwärtigen, welches er hinter dem Kolibribild gefunden hatte, und als ihm dies gelungen war, warf er den Kopf mit bewundernswerter Leichtigkeit auf das Papier.
„So“, sagte er, „sehen Sie her! Ist sie es?“
Die beiden Alten stießen einen Ruf des Erstaunens aus.
„Das ist sie; ja, das ist sie!“ beteuerten
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