58 - Die Liebe des Ulanen 04 - Hinter feindlichen Linien
Sind Sie etwa bei dem gewesen?“
„Ja; gerade komme ich von ihm.“
„Monsieur, was fällt Ihnen ein?“
Der Dicke machte ein sehr erstauntes Gesicht und sagte:
„Was ist das für ein Ton? Wie kommen Sie mir vor?“
„Können Sie sich das nicht selbst erklären? Wissen Sie nicht, daß Sie mein Gast sind?“
„Das weiß ich sehr wohl.“
„Dann dürfen Sie auch nichts tun, was gegen meinen Willen ist.“
„Oho! Was ist denn gegen Ihren Willen?“
„Ihr Besuch bei diesen Melacs.“
„Pah! Ich bin Ihr Gast, aber nicht Ihr Sklave. Übrigens arbeite ich für Sie. Es ist eine Ehre für Sie, einen Künstler bei sich zu haben. Verstehen Sie wohl. Auch handelt es sich gar nicht um einen Besuch bei Melacs, sondern um eine Arbeit, welche ich da vorzunehmen hatte.“
„Gearbeitet haben Sie drüben?“
„Allerdings.“
„Das soll doch heißen, gemalt? Haben Sie vielleicht porträtiert?“
„Ja, porträtiert.“
Man sah es diesem Berteu an, daß er ganz erregt war. Er vergaß alle Höflichkeit und fragte zudringlich weiter:
„Wen? Den Alten?“
„Nein.“
„Die Frau?“
„Nein.“
„Das Mädchen?“
„Auch nicht.“
„Donnerwetter! Wenn denn? Es gibt da ja nur diese einzigen drei Personen.“
„Wenn ich sagte, daß ich porträtiert habe, so ist das richtig, denn ich habe an einem Porträt gearbeitet, aber allerdings an einem bereits vorhandenen.“
„Es gibt da nur ein Bild, welches Sie meinen können: ein Pastellbild.“
„Das war es allerdings.“
„Es stellt einen jungen Mann dar?“
„Stimmt auffallend.“
„Wer mag das sein?“
„Ich weiß es nicht.“
„Sie haben das Bild natürlich geöffnet?“
„Das versteht sich ganz von selbst.“
„Hat sich nichts dabei ereignet?“
„O doch.“
„Was denn? Was?“ fragte Berteu schnell.
„Es fiel ein Nagel herunter, so daß Mademoiselle Marie gezwungen war, ihn aufzuheben.“
„Monsieur!“
„Was wünschen Sie?“
„Denken Sie etwa, mich zum Narren machen zu wollen?“
„Pah! Ich antwortete Ihnen. Kann denn ich dafür, daß Sie alles, selbst bis auf solche Kleinigkeiten, wissen wollen?“
„Nach dem Nagel habe ich Sie nicht gefragt. Aber, Sie sind Kenner. Ist das Bild wertvoll?“
„Allerdings sehr.“
„Wie hoch schätzen Sie es?“
„Es kann sechstausend Francs gekostet haben.“
„Sechst – alle Teufel! Und jetzt? Hat es auch noch denselben Wert?“
„Den behält es.“
„Also doch. Welch ein Fehler von meinem Vater!“
„Einen Fehler? Was meinen Sie?“
„Wissen Sie denn nicht, wie das Bild in die Hände der Melacs gekommen ist?“
„Ich hörte, daß es ein Geschenk sei.“
„Nein, das ist nicht wahr. Jene haben es nur zur Aufbewahrung erhalten. Es gehört meinen Stiefschwestern. Vater hätte darauf bestehen sollen, es zurückzuerhalten. Haben Sie die Restaurierung vollendet?“
„Nein. Ich habe morgen noch einige Zeit daran zu arbeiten.“
„Und meine Gemälde werden dabei vernachlässigt.“
„Haben Sie keine Sorge. Ehe ich fortgehe, werde ich auch mit diesen fertig.“
Es war noch nicht spät, und so hatte der Maler noch nicht Lust, schlafen zu gehen. Er befand sich in einer ganz eigentümlichen Stimmung. Es war ihm, als ob er das große Los gewonnen hätte. Er hatte sehr viele Mädchen gesehen, und keine war ohne Eindruck auf ihn gewesen, er hatte sie alle haben wollen; aber diese Marie – das war doch etwas ganz anderes. Er hatte das Gefühl, als ob er sich verloren gehabt und nun wiedergefunden habe.
Es wurde ihm in der Stube zu eng. Er brannte eine Zigarre an und begab sich in das Freie. Natürlich ging er in den Park. Es verstand sich das ganz von selbst, daß er sich nach kurzem gerade vor der Bank sah, auf welcher er mit Marie gesessen hatte. Er setzte sich nieder.
Er hatte nicht etwa erwartet, sie hier zu treffen, o nein. Aber er blieb doch eine längere Zeit, als ob er meine, daß jemand kommen solle. Und da – da hörte er Schritte. Er horchte auf. Die Schritte näherten sich. Es waren die Schritte zweier Personen.
Er wollte nicht gesehen werden, darum stand er auf und trat zwischen die Büsche, vor denen die Bank stand. Es waren zwei Männer, welche kamen. Als sie die Bank erreichten, blieben sie stehen.
„Setzen wir uns ein wenig?“ fragte der eine, in welchem der Maler seinen Wirt Berteu erkannte.
„Meinetwegen.“
„Du bist heute sehr kurz angebunden.“
„Habe auch Veranlassung dazu.“
„Wegen der Mädels?“
„Weswegen
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