58 - Die Liebe des Ulanen 04 - Hinter feindlichen Linien
treffen wissen.“
„Gut, ich werde Ihnen gehorchen. Natürlich verhalten wir uns tagsüber so, als ob wir gar nichts ahnten.“
„Das ist unumgänglich notwendig. Also, Sie denken nicht, daß ich einen Besuch zu erwarten habe?“
„Auf keinen Fall. Ich werde für Sie wachen.“
„Und ich sehe ein, daß meine Schuld Ihnen gegenüber immer größer wird. Welch ein Unglück für mich, wenn Sie nicht nach Ortry gekommen wären.“
Sie reichte ihm beide Hände entgegen. Er ergriff dieselben. In seinen Augen glänzte es feucht.
„Gnädiges Fräulein, befehlen Sie, so gehe ich für Sie in den Tod!“ sagte er mit zitternder Stimme.
„Nein, mein Lieber, nicht in den Tod!“ antwortete sie. „Sie sind ein seltener Mann. Man sollte gar nicht meinen, daß Sie ein Gelehrter sind. Sie müssen leben, leben und glücklich sein!“
Ihr Busen hob sich unter einem tiefen Atemzug. Es war ihm, als ob er sie jetzt erringen könne, wenn er ein Wort zu ihr sage; aber wäre es edel gewesen, ihre Dankbarkeit in dieser Weise auszubeuten? Nein! Er schüttelte leise den Kopf und antwortete:
„Dank, gnädiges Fräulein. Ihre Worte sind mir mehr wert, als alle Reichtümer der Welt. Wollte Gott, ich könnte noch viel mehr für Sie tun, als ich bisher für Sie tun durfte! Halten wir also treue Kameradschaft! Und gelingt es mir, die Ihnen drohende Gefahr abzuwenden, so bin ich mehr als reich belohnt.“
Sie hatte sich halb abgewendet gehabt; jetzt drehte sie sich ihm wieder zu und sagte:
„Ja, Sie sind ebenso edel wie uneigennützig. Ich blicke bis in die Tiefe Ihres Herzens hinab. Also treue Kameradschaft. Gut, verlassen wir einander nicht! Aber jetzt, jetzt können wir uns wohl gute Nacht sagen?“
„Gewiß. Sie haben nichts zu befürchten.“
„Gut. Schlafen Sie wohl, mein lieber Kamerad! Suchen auch Sie Ruhe, denn morgen werden wir wohl auf den Schlaf verzichten müssen!“
Sie reichte ihm die Hand.
„Noch eins!“ bat er. „Darf ich einen Wunsch aussprechen?“
„Gewiß! Reden Sie!“
„Bitte, wagen Sie sich jetzt noch nicht ohne meine Begleitung in die geheimen Gänge! Sie werden die Gründe begreifen, welche mich zu dieser Bitte veranlassen.“
„Sie haben recht. Ich verspreche Ihnen, nichts zu tun, ohne es Ihnen vorher gemeldet zu haben.“
„Das beruhigt mich! Gute Nacht, gnädige Baronesse!“
„Gute Nacht, Monsieur!“
Er ging. Draußen, als er den Eingang verschlossen hatte, blieb er überlegend stehen.
„Hm!“ dachte er. „Gewiß ist gewiß! Ich werde die Riegel vorschieben. Ah, ich hätte das ja so auch tun müssen, denn ich habe sie ja vorgeschoben vorgefunden.“
Nun begab er sich zuletzt nochmals an das Zimmer des Kapitäns. Er kam gerade recht, um zu sehen, daß dieser sich zum Schlafengehen entkleidete.
„Schön“, dachte er. „So brauche ich nicht zu wachen. Es ist nun ganz sicher, daß heute gegen Marion nichts unternommen wird.“
Jetzt nun suchte er die Treppe wieder auf, welche in das Gemach des Amerikaners führte. Dieser saß, als er bei ihm eintrat, am Tisch. Er hatte das Licht brennen.
„Endlich“, sagte Deep-hill. „Wie lange habe ich auf Sie warten müssen!“
„Ich konnte nicht eher.“
„Ich dachte bereits, daß Sie nicht kommen würden.“
„Oh, ich pflege mein Wort zu halten, hatte aber leider eine Verhinderung, die ich nicht vorhersehen konnte.“
„Bitte, nehmen Sie Platz. Hier sind Zigarren.“
Müller steckte sich eine an. Der Amerikaner sah ihm dabei zu und sagte dann:
„Wissen Sie was Sie sind?“
„Nun?“
„Erstens mir ein Rätsel.“
„Und zweitens?“
„Und zweitens ein außerordentlicher Mann.“
„Danke, Master Deep-hill!“
„Was Sie voraussahen, ist eingetroffen.“
„Ich wußte es.“
„Aber, erklären Sie mir, wie Sie das eben wissen konnten.“
„Ich hatte es einfach berechnet.“
„Aber doch nur auf Grund gewisser Beobachtungen und Erfahrungen, welche Sie hier bereits gemacht haben.“
„Allerdings!“
„Ich möchte einmal ein wenig unbescheiden sein.“
„Versuchen Sie es.“
„Darf ich fragen, welche Erfahrungen es sind, die Sie in den Stand setzen, so genaue Berechnungen zu machen?“
„Ich möchte Ihnen antworten. Monsieur, darf aber nicht.“
„Sie haben kein Vertrauen zu mir?“
„Vorsicht ist nicht gleichbedeutend mit Mangel an Vertrauen.“
„Ich gebe das zu und muß mich also in Ihre Weigerung fügen. Es kommt mir hier verschiedenes unbegreiflich vor, eins aber ist mir sehr begreiflich,
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