58 - Die Liebe des Ulanen 04 - Hinter feindlichen Linien
Gerade das will ich sagen. Soeben komme ich von ihrer Verfolgung zurück. Es ist keine Spur von ihnen zu sehen.“
„Aber, wie gelang es ihnen denn, zu entkommen? Es muß da oben und drüben doch so viele Menschen geben, daß eine solche Flucht ganz unmöglich erscheint!“
„Massenhaft sind die Menschen da, und zu Hunderten strömen sie noch, die Neugierigen aus den umliegenden Ortschaften. Freilich darf nicht jeder herantreten. Aber denken Sie sich: Man setzte die beiden Kerls in ein Coupé und stellte auf der belebten Seite desselben einen Posten auf, auf der anderen Seite aber, nach uns zu, wo sich kein Mensch befand, da ließ man sie ohne Wache.“
„Schrecklich dumm!“
„Ja. So etwas bringt nur so ein glorioser Franzose fertig! Und der diese Vorsichtsmaßregel traf, war sogar ein Kapitän!“
„Also Hauptmann!“
„Bei uns daheim hat jeder Gänsejunge mehr Grütze im Kopf. Na, freue dich, Frankreich, auf deine Siege! Ich denke mir immer, deine Heldensöhne werden ganz gewaltige Keile kriegen!“
„Nicht so laut, nicht so laut, Fritz! Du bist nicht daheim im Tiergarten oder in deinem Stalle.“
„Ja, die Galle läuft einem doch einmal über, wenn man nichts als Dummheit sieht.“
„Also bis du der Retter der schönen Madelon?“
„Ja. Und der Amerikaner ist der Retter der Engländerin.“
„Das gönne ich ihm und ihr, es interessiert mich aber weniger.“
Fritz machte ein höchst erstauntes Gesicht und fragte:
„Weniger?“
„Ja. Das ist nicht unmenschlich. Ich kenne beide nicht.“
„Das möchte ich doch bezweifeln!“
„Wieso?“
„Hm! Diese Engländerin reist nämlich inkognito!“
„Unter falschem Namen?“
„Ja.“
„Aber eine Engländerin ist sie trotzdem wohl?“
„Nein, obgleich sie das Englische spricht wie die feinste Lady. Denken Sie sich, sie ist aus –“
„Nun, aus?“
„Aus Berlin!“
„Aus Berlin? Und reist als Engländerin? Da muß sie ganz eigentümliche Gründe haben.“
„Sicher! Wenn man diese Gründe doch nur erfahren könnte.“
„Nun, sollte ich mit ihr bekannt sein?“
„Das ist sehr leicht möglich. In Berlin sehen sich die Leute.“
„Anderwärts auch, lieber Fritz! Aber sie kann mich in der Hauptstadt gesehen haben; jetzt erblickt sie mich – ich kann auf der Stelle verraten sein!“
„Wohl schwerlich. Es gibt gute Gründe dagegen.“
„Welche?“
„Ihr Buckel.“
„Pah, auf den fallen die Augen nicht sogleich.“
„Ihre dunkle Gesichtsfarbe und Ihr schwarzes Haar.“
„Auch darüber kann man im Augenblick des Erkennens hinwegsehen. Die Züge sind die Hauptsache. Also dir kommt sie bekannt vor?“
„Ja.“
„Wie ist sie? Häßlich?“
„Schön, sehr schön!“
„Sapperlot! Schwarz oder hell?“
„Blond, gerade wie Sie, Herr Doktor, wenn Sie diese Perücke –“
„Pst, pst! Man braucht selbst unter vier Augen das nicht zu erwähnen. Ihren Namen – na, den kennst du natürlich nicht.“
„Ihren Vornamen habe ich erfahren.“
„Wie lautet er?“
„Emma.“
„Wie meine Schwester.“
„Sie ist von Adel. Und ihr eigentlicher Familienname klingt ganz wie Herzogswiese.“
„Herzogswiese. Eine adelige Familie dieses Namens gibt es ja gar nicht!“
„So verwechsele ich die Ausdrücke. Vielleicht soll es nicht Herzogs-, sondern Fürstenwiese heißen.“
„Auch diesen Namen kenne ich nicht.“
„Dann wohl Königswiese.“
„Hm. Auch unbekannt.“
„Sapperment! Ich dachte, Sie sollten den Namen kennen! Vielleicht ist das mit der Wiese auch eine Verwechselung. Wie sagt doch gleich der Dichter anstatt Wiese?“
„Gefilde?“
„Dann hieß es Königsgefilde? Nein!“
„Welches Wort sollte es sonst sein?“
„Ich muß nachdenken. Wie war doch nur der schöne Reim, in dem die Wiese und die Frau vorkam! Ah, da fällt er mir ein. Er heißt:
‚Ich flieg' mit meiner ersten Frau
Und dreizehn Kindern durch die Au.‘
Ja, das ist der Reim, und das ist auch das Wort. Nicht Wiese oder Gefilde darf es heißen, sondern Au.“
Müller machte ein etwas betroffenes Gesicht.
„Verstehe ich recht, was du meinst?“ fragte er. „Nicht Königswiese soll es heißen, sondern Königsau?“
„Ja, ja, so war es“, meinte Fritz.
„Mensch, was fällt dir ein! Aus Berlin ist sie? Und Emma heißt sie? Und mit dieser Madelon saß sie in einem Coupé?“
„Ja ja ja!“
Das Gesicht Fritzens wurde bei jedem Augenblick sonniger und heller.
„Das wäre ja meine Schwester!“
„Donnerwetter!“ fluchte
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