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61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig

61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig

Titel: 61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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wieder gut sein miteinander?“
    Sie blickte zu Boden nieder. Sie fühlte, daß sie wohl nicht lange widerstehen könne, wenn sie ihm in die Augen schaue. Und doch mußte sie dem Vater gehorchen. Und doch wollte sie selbst so gern in dem schönen Anzug glänzen! Dieser Gedanke gab ihrem Gesicht, welches sich bereits hatte aufhellen wollen, die vorige Härte wieder. Sie antwortete in trotzigem Ton:
    „Ja; aber jetzt nicht!“
    „Wann sonst?“
    „Morgen!“
    „Engelchen, nicht eher? Überlege wohl, was du sagst!“
    „Nein, nicht eher! Ich sag's jetzt und sag's zum letzten Mal!“
    „So sind wir geschiedene Leute für immerdar! Lebe wohl!“
    Er wendete sich um und ging. Aber noch hatte er kaum fünf Schritte getan, so kehrte er sich wieder zurück und fragte:
    „Engelchen, ist's wirklich dein Ernst?“
    Sie kehrte ihm den Rücken zu und antwortete nicht.
    „Engelchen!“
    Jetzt nahm sie gar den Besen und ging fort, durch das Gärtchen und in das Haus hinein. Da fuhr er sich mit der Hand über das Gesicht, als ob er etwas recht, recht häßliches dort fortzustreichen habe, und entfernte sich dann auch. Dabei flüsterte er:
    „Es ist vorbei; es ist aus! Aber ob ich sie vergessen werde?“
    Er stieg über seinen Zaun und versteckte den Maskenanzug da, wo das Futter für die Ziege aufbewahrt wurde. Die Seinen durften keine Ahnung davon haben, was für Absichten er für den heutigen Abend in sich trug. –
    Der Fastnachtsdienstag pflegt ein Tag der Freude und Belustigung zu sein. Prinz Karneval wird in den reichen Kreisen großer und berühmter reicher Städte geehrt. Er hat keine Zeit, sich auch anderwärts zu zeigen; aber er sendet seine Boten doch in alle Orte, selbst in das ärmste Dörfchen, wo derjenige, der sonst mit Not und Sorge zu kämpfen hat, an diesem Tag sich einmal einen Extragenuß erlaubt, indem er seiner Frau einen Fastnachtskrapfen, einen Pfannkuchen oder auch irgendein mageres Kartoffelgebäck bereiten läßt.
    Aber selbst hierzu gehört Geld, und daher kamen diejenigen, welche am Sonnabend ihre Arbeit nicht fertiggebracht hatten, heute in Seidelmanns Kontor, um dieselbe abzugeben und den kargen Lohn dafür in Empfang zu nehmen. Sie hatten vielleicht sogar des Nachts gearbeitet, um gerade heute fertig zu werden.
    Darum gab es bei Seidelmann und Sohn heute nachmittag zu tun, und erst als es dunkel war, ging der letzte Weber fort, freilich trübsinnigen Gesichts, denn er hatte eines angeblichen, unbedeutenden Fehlers wegen sich einen sehr bedeutenden Abzug gefallen lassen müssen.
    Jetzt nahmen Seidelmanns ihr Abendmahl ein, und dann begab sich Fritz, der Sohn, abermals in das Kontor, um noch einige Einträge in die Bücher zu machen, da ja der Schreiber, welcher dies zu besorgen gehabt hatte, nicht mehr vorhanden war.
    Nach einer kleinen Weile trat sein Oheim, der fromme Schuster, bei ihm ein. Er nahm auf einem Sessel Platz und sagte:
    „Laß dich nicht stören! Es ist nichts Notwendiges oder gar Wichtiges, was mich zu dir führt.“
    „Was sonst? Ich bin fertig.“
    Er legte die Feder weg und blickte den Onkel erwartungsvoll an.
    „Es handelt sich nur um das heutige Vergnügen. Denkst du wirklich, daß das Mädchen kommen wird?“
    „Ganz gewiß.“
    „Hm! Frauen sind veränderlich wie Aprilwetter!“
    „Pah! So eine italienische Maske zieht. Übrigens habe ich mich hinter den Vater gesteckt. Er würde, selbst wenn sich das Mädchen anders besinnen wollte, doch dafür sorgen, daß sie Wort hält.“
    „Das war klug gehandelt. Also darf ich gratulieren?“
    Sein Gesicht hatte den Ausdruck eines Fauns angenommen. Er spitzte den Mund wie einer, der ein hübsches Gesicht vor sich sieht, welches er küssen möchte. Der Neffe lachte zynisch und antwortete:
    „Danke! Sie ist mir allerdings sicher.“
    „Aber wie und wo?“
    „Onkel, du bist neugierig!“
    „Ist mir das zu verargen? Ich stehe ganz auf dem Boden der Bibel, welche sagt: Kindlein, liebet euch untereinander! Ich wollte, ich könnte ein Kind unter euch Kindern sein!“
    „Du wärst da ein ziemlich alter Knabe!“
    „Natürlich! Fein speisen?“
    „Ist alles bestellt!“
    „Auch die Weine?“
    „Natürlich! Sogar Champagner“, lachte er. „Dieser letztere ist ja die Hauptsache! Du wirst mich verstehen.“
    „Nicht ganz. Aber eine Ahnung habe ich.“
    „Darf ich wissen, was du ahnst?“
    „Warum nicht? Dieses Webermädchen hat noch niemals Champagner getrunken. Einige Gläser, und sie ist

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