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Dunkle Herzen

Dunkle Herzen

Titel: Dunkle Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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Erstes Kapitel
    Das Ritual begann eine Stunde nach Sonnenuntergang. Lange zuvor war der Kreis – exakt neun Fuß im Durchmesser  – vorbereitet worden, man hatte Büsche und Schößlinge gerodet und geweihte Erde über den Boden verstreut.
    Dunkle Wolken tanzten geheimnisvoll über die fahle Scheibe des Mondes.
    Innerhalb des schützenden Kreises standen dreizehn in schwarze, kuttenähnliche Kapuzenmäntel gehüllte Gestalten. Draußen im Wald stimmte eine einsame Eule ihr Klagelied an. Als der Gong ertönte, verstummte auch sie. Einen Augenblick lang war nur das Flüstern des Windes in den jungen Frühlingsblättern zu hören.
    In einer kleinen Grube zur linken Seite des Kreises flakkerte bereits das Feuer. Bald würden die Flammen hoch aufzüngeln, angefacht vom Abendwind – oder von anderen Kräften.
    Man schrieb den Vorabend des ersten Mai, die Walpurgisnacht, jene Nacht, in der man den Göttern opferte, sie pries und um eine reichhaltige Ernte und den Fortbestand der Familie bat.
    Zwei in rote Gewänder gekleidete Frauen traten in den Kreis. In ihren unverhüllten, leichenblassen Gesichtern leuchteten nur die Lippen scharlachrot. Sie wirkten wie Vampire, die sich gerade am Blut ihrer Opfer gelabt hatten.
    Eine von ihnen ließ gemäß den genauen Anweisungen, die man ihr erteilt hatte, ihr Gewand fallen und stand einen Augenblick lang nackt im Licht des Dutzends schwarzer Kerzen, ehe sie sich auf dem hohen, polierten Holzklotz in Positur legte.
    Heute nacht würde sie ihnen als lebender Altar dienen, die Jungfrau darstellen, die sie anbeteten. Einige von ihnen störten sich allerdings an der Tatsache, daß es sich bei der Frau um eine Prostituierte handelte, für die Keuschheit ein
Fremdwort war. Andere genossen einfach den Anblick ihrer üppigen Rundungen und weit gespreizten Schenkel.
    Der Hohepriester, der seine Maske Baphomet, dem Bock von Mendes, gewidmet hatte, stimmte einen monotonen Gesang in verfälschtem Latein an. Als er geendet hatte, hob er die Arme zu dem umgekehrten Pentagramm über dem Altar empor. Dann wurde, um die Luft zu reinigen, eine Glocke geläutet.
    Von ihrem Versteck im Gebüsch aus beobachtete ein kleines Mädchen mit großen, neugierigen Augen die Szene. Von der Feuerstelle, wo die Flammen prasselten und Funken in die Luft stoben, zog ein unangenehmer Geruch herüber, und in die Bäume, die den magischen Kreis umgaben, waren seltsame alte Zeichen eingeritzt.
    Das Mädchen fragte sich, wo sein Vater wohl war. Es hatte sich, vor Freude über den gelungenen Streich in sich hineinkichernd, auf dem Rücksitz seines Wagens versteckt. Und als es ihm durch den Wald gefolgt war, hatte es gar keine Angst gehabt. Nicht ein bißchen. Es hatte sich im Gebüsch verborgen und wartete auf einen geeigneten Moment, um sich in seine Arme zu werfen.
    Doch er hatte, wie alle anderen, einen langen, dunklen Mantel übergestreift, und nun wußte es nicht mehr genau, wer aus der Gruppe nun eigentlich sein Daddy war. Die nackte Frau machte es verlegen und faszinierte es zugleich, doch das, was die Erwachsenen da taten, kam ihm nicht länger wie ein Spiel vor.
    Das Herz pochte ihm bis zum Hals, als der Mann mit der Maske wieder zu singen begann.
    »Wir rufen dich, Amon, Gott des Lebens und der Fortpflanzung. Und dich, Pan, Gott der Fleischeslust.«
    Jeder Name wurde von den anderen wiederholt. Die Liste war lang.
    Die Gruppe begann, sich rhythmisch hin- und herzuwiegen und zu summen, als der Hohepriester einen silbernen Kelch ergriff, trank und den Kelch zwischen die Brüste des Altars setzte.
    Dann nahm er ein Schwert auf und wies damit gen Süden,
Osten, Norden und Westen, wobei er die vier Höllenfürsten beschwor:
    Satan, Herr des Feuers,
Luzifer, der Lichtbringer,
Belial, der keinen Gebieter kennt,
Leviathan, Schlange der Tiefe –
    Das kleine Mädchen im Gebüsch erschauerte vor Angst.
    »Ave, Satan!«
    »Ich rufe dich, Meister, Fürst der Finsternis, Herrscher der Nacht! Öffne die Pforten der Hölle und höre uns an!« Die weithin hallenden Worte des Hohenpriesters ähnelten weniger einer Bitte als vielmehr einem Befehl. Während er seine Stimme erhob, hielt er ein Stück Pergament empor, das im Licht der gierigen Flammen blutrot aufleuchtete. »Auf daß unsere Felder reiche Frucht tragen und unser Vieh sich vermehre. Vernichte unsere Feinde und schlage die, die uns übelwollen, mit Unheil. Schenke uns, deinen getreuen Anhängern, Reichtum und Macht.« Er legte eine Hand auf die Brust des Altars.

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