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61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig

61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig

Titel: 61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ERSTES KAPITEL
    Gift und Gegengift
    Als der Fürst nach Hause kam, fand er Anton vor, welcher ihm meldete, daß der angebliche Architekt Jakob wirklich aus der betreffenden Tür getreten sei. Er hatte ihn verfolgt, dann aber das Unglück gehabt, ihn im Marktgewühl aus den Augen zu verlieren.
    Dieser Bericht bewies, daß die Mauerstraße und jenes altertümliche Gartengebäude in Beobachtung zu nehmen seien. Adolf erhielt die sofortige Weisung, zu erforschen, ob auf der genannten Straße ein möbliertes Garçonlogis zu vermieten sei. Er fand eine passende Wohnung für einen einzelnen Herrn und zog noch vor Abend dort ein, um die erwähnte Beobachtung zu übernehmen.
    Während dieser Zeit war die Stunde herangekommen, in welcher der vor Schreck gestorbene Schneider Bertram begraben werden sollte. Der Fürst fuhr zu Hellenbachs, um Fanny abzuholen. Er fand sie in Bereitschaft. Er ließ seine Equipage dann in der Nähe des Kirchhofs halten und stieg mit dem schönen Mädchen aus, um den letzteren zu Fuß zu erreichen.
    Die Anwesenheit der beiden fiel bei dem hier herrschenden Gedränge gar nicht auf. Sie hatten innerhalb des Eingangs, gleich neben dem Tor, Platz gefunden und sahen die Amtspersonen mit den beiden Gefangenen, Bruder und Schwester, aussteigen. Sie mußten an ihnen vorüber. Fanny hatte ihren Arm in den des Fürsten gelegt. Als Robert Bertram an ihnen vorüberging, flüsterte sie:
    „Das ist er!“
    „Ja. Ich erkenne ihn. Es ist der junge Dichter, welchem sein Verleger die Tür wies. Sieht er aus wie ein Einbrecher, gnädiges Fräulein?“
    „O nein, nein; gar nicht! Der Arme!“
    Jetzt kam auch Assessor Schubert. Er erblickte die beiden, trat höflich grüßend an sie heran und sagte:
    „Ich danke, daß Sie mein Gesuch erhörten! Würden Sie die Güte haben, sich, wenn er den Kirchhof verläßt, so zu stellen, daß sein Auge möglicherweise auf Sie fallen muß?“
    „Gewiß!“ nickte der Fürst.
    Der Beamte entfernte sich, und bald hörte man den Gesang beginnen. Die Trauerfeierlichkeit nahm ihren Verlauf, doch vermochten der Fürst und Fanny von ihrem Standpunkt aus die näher Beteiligten nicht zu erblicken. Endlich war der Segen gesprochen, und eine Bewegung der anwesenden Menge ließ vermuten, daß die Gefangenen den Rückweg angetreten hatten.
    Unweit des Fürsten stand, in einen Pelz gehüllt, ein junges, sehr schönes Mädchen mit ausgesprochen orientalischen Gesichtszügen, welches sich jetzt möglichst vorzudrängen suchte. Auch der Fürst veränderte mit Fanny seinen Platz.
    Da kamen sie, Robert und Marie Bertram, mit ihrer polizeilichen Begleitung. Die Schwester hielt die Augen niedergeschlagen; der Bruder blickte ausdruckslos vor sich hin. In diesem Augenblick schob sich das fremde Mädchen noch weiter vor. Roberts Blick fiel in ihr dunkles, glutvolles Auge. Sein Fuß zögerte, und seine Pupillen schienen sich zu erweitern. Sein bleiches und dennoch so schönes Gesicht belebte sich.
    „Geld, Geld!“ sagte er, allen hörbar. „Das viele Geld!“
    Unwillkürlich machte der Fürst eine Bewegung der Überraschung. Dadurch zog er die Augen des Gefangenen auf sich. Bertram schien sich einen Augenblick zu besinnen; dann trat er herbei, erfaßte die Hand des Fürsten und sagte:
    „Hunger! Oh, sehr großen Hunger!“
    Trotz seines umnachteten Geistes hatte er den Mann erkannt, der ihn vom Hunger errettet hatte. Und jetzt, ja, jetzt sah er auch Fanny stehen. Seine Wangen röteten sich; sein Blick leuchtete selig auf; er trat einen Schritt zurück und rezitierte laut:
    „Des Himmels Seraph flieht, verhüllt
Von Wolken, die sich rastlos jagen.
Die Erde läßt, von Schmerz erfüllt,
Den Blumen bittre Tränen tragen,
Und um verborgne Klippen brüllt
Die Brandung ihre wilden Klagen.
    Da bricht des Morgens glühend Herz.
Er läßt den jungen Tag erscheinen.
Der küßt den diamantnen Schmerz
Von tropfenden Karfunkelsteinen
Und trägt ihn liebend himmelwärts,
Im Äther dort sich auszuweinen!“
    Er hatte so laut gesprochen, daß alle Umstehenden diese Worte hören mußten. Die bereits in Bewegung befindliche Menge war ins Stocken geraten. Da trat der mit anwesende Arzt heran, deutete auf Fanny und fragte den Kranken:
    „Kennen Sie diese Dame?“
    Da nahm das Gesicht desselben plötzlich einen ganz anderen Ausdruck an.
    „Hinweg, Elender!“ rief er im Ton größter Herzensangst.
    Seine erhobenen Arme sanken; sein Blick erlosch, und seine Knie brachen: Er glitt bewußtlos auf den Boden nieder.
    Fanny

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