61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig
schritt voran und führte Arndt nach einem bretternen Schuppen, in welchem sich eine Menge Stroh befand.
„Hier ist's nicht so kalt“, sagte er. „Lassen Sie sich die Zeit nicht lang werden. Ich gehe, ihn zu holen.“
„Es wird mich doch niemand hier entdecken?“
„Nein. Treten Sie nur so weit wie möglich hinter.“
Er entfernte sich, und Arndt zog es vor, auf das Stroh hinauf zu klettern, anstatt zur ebenen Erde zu bleiben. Dort oben konnte er schwerer gefunden werden als unten.
Die Zeit wurde ihm nicht lang. Er war außerordentlich neugierig auf den Mann, der jetzt kommen werde.
Es verging allerdings fast eine halbe Stunde, bis leise Schritte sich hören ließen. Dann sah er eine lange, hagere Gestalt, welche in den Schuppen trat. Er konnte sie trotz der herrschenden Dunkelheit ziemlich gut erkennen.
„Pst!“ machte der Eingetretene.
„Sogleich!“
Er rutschte von dem Strohhaufen herab und stand nun vor dem jetzt erst Eingetretenen.
„Wer sind Sie?“ fragte dieser.
„Hm! Wer sind denn Sie?“
„Ich bin es, der zu fragen hat!“
„Ich ebenso! Ist es überhaupt gebräuchlich, zu sagen, wer man ist?“
„Ah! So sind Sie also auch ein Anführer?“
„Jedenfalls.“
„Schön! Also, was wollen Sie?“
„Mich mit Ihnen über ein höchst lukratives Geschäft besprechen.“
„Ich stehe zu Diensten! Also, reden Sie!“
„Sind wir hier sicher?“
„Vollständig! Es befindet sich niemand hier, der lauschen könnte. Es kommt auch niemand, der uns überraschen möchte. Übrigens habe ich Lauben befohlen, Wache zu halten. Wie kommen Sie zu ihm?“
„Ich kenne die Geheimnisse.“
„Die Eiche?“
„Noch weit mehr.“
„Sind Sie mit dem Schmied im Einvernehmen?“
„Mit dem Helfensteiner? Ich habe keinen Grund, mich darüber zu äußern. Übrigens haben Sie gestern schlechte Geschäfte gemacht!“
„Sehr, sehr schlechte! Dieser verdammte Fürst des Elends!“
„Andere denken anders von ihm!“
„Wir aber nicht! Der Teufel mag ihn holen! Wer er nur eigentlich sein mag?“
„Ich bin ihm auf der Spur; er wird uns gewiß verfallen.“
„Ich will es hoffen! Aber zu unserem Geschäft. Kennen Sie den Hauptmann?“
„Das ist Ihnen gleichgültig! Verstanden? Ich habe einen Transport kostbarer Waren über die Grenze zu schaffen und bedarf Ihrer Hilfe.“
„Auf Befehl?“
„Ja.“
„Wann soll es sein?“
„Ehe ich das sagen kann, muß ich vorher anderes wissen. Ich nehme natürlich an, daß Sie der Anführer sind?“
„Eigentlich nicht.“
„Alle Teufel! Wer denn sonst?“
„Sein nächster Verwandter.“
„Das entschuldigt nicht! Warum kommen Sie und nicht er?“
„Er wird abgehalten!“
„Wie aber nun, wenn es sich um Hochwichtiges handelt? Er scheint nicht die gehörige Vorsicht zu besitzen!“
„Herr, Sie können doch nicht verlangen, daß er Tag und Nacht vor dem Draht steht, um auf die Glocke zu warten! Er hat noch anderes zu tun!“
„Das mag sein! Aber ich muß mit ihm selbst sprechen.“
„Das ist jetzt wirklich unmöglich!“
„Wann sonst?“
„Heute nicht mehr!“
„Nicht mehr? Hm, das ist höchst unangenehm! Es handelt sich um einen Gewinn von – von –“
Er zog sein Notizbuch heraus und öffnete es. Zugleich griff er mit der anderen Hand in die Tasche und zog das chemische Laternchen hervor. Er leuchtete mit dem letzteren auf das aufgeschlagene Blatt, blickte aber nicht auf dasselbe, sondern auf den vor ihm stehenden Mann.
Dieser war gar nicht darauf vorbereitet gewesen, angeleuchtet zu werden. Er fuhr schnell zurück; aber Arndt hatte doch bereits genug gesehen, nämlich die Spitze eines außerordentlich glatt rasierten Kinns, welches unter der schwarzen Maske hervorblickte, und ein weißes Halstuch, welches den langen, hageren Hals nur halb bedeckte, obgleich es sehr weit über den Kragen der Jacke emporstieg. Der Fromme war erkannt.
„Also ein Gewinn von zwanzigtausend Gulden, wie hier zu lesen steht“, fuhr Arndt fort.
„Zwanzigtausend! Himmel! Das ist viel! Aber was war denn das für ein Fläschchen, Herr?“
„Eine Laterne.“
„Ich sah doch kein Lämpchen und kein Licht.“
„So haben Sie nicht aufgepaßt.“
„Zeigen Sie noch einmal heraus!“
„Was ich einmal wieder in der Tasche habe, kommt nicht mehr zum Vorschein. Ich bin nicht hier, um Laternenstudien zu treiben, sondern um mit Ihnen zu sprechen, oder vielmehr mit dem, dessen Stellvertreter Sie heute sind.“
„Donnerwetter! Höflich sind Sie
Weitere Kostenlose Bücher