62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen
erregt.
„Weiter ein Fall ist doch gar nicht möglich“, sagte Salomon Levi.
„Nicht? Kann der Knabe nicht entführt worden sein?“
„Entführt? Ja, daran habe ich nicht gedacht. Einen Grafensohn entführt, welcher zu erben hat ein so ungeheures Vermögen! Wer doch dieses Kind finden könnte!“
„Es kann nie gefunden werden; es ist für immer verloren!“
„Man darf nie aufgeben ganz die Hoffnung.“
„Oh, es sind seit jener Zeit zwanzig Jahre vergangen!“
„Das ist eine lange Zeit. Hat man denn nachgeforscht im ganzen Land Schweden?“
„Dort? Gar nicht.“
„Nicht? Man forscht nicht nach, wenn entführt worden ist ein Grafensohn?“
„Er ist ja nicht in Schweden entführt worden.“
„Nicht? Wo denn?“
„Während einer Reise.“
„In welchem Land?“
„Hier. Der Graf hielt sich damals in einer kleinen Stadt in der Nähe der hiesigen Residenz auf.“
Der Alte öffnete die Augen und den Mund. Es kam ihm ein kühner, ein riesiger Gedanke.
„Hier?“ fragte er. „Das ist interessant! Wie lange ist es her? Wie sagten Sie?“
„Zwanzig Jahre ungefähr.“
„Hatte der Sohn einen Namen?“
„Natürlich!“ lachte der Baron.
„Wie hieß er?“
„Robert!“
„Robert! Robert von Holmström! Jehova Zebaoth! Gott aller Erzväter!“
„Was ist? Was haben Sie?“
„Nichts, gar nichts! Ich freue mich nur über diese schöne Geschichte, Herr Ankerkron.“
„Wie? Sie freuen sich darüber, daß der Sohn meines Herrn entführt worden ist? Was soll ich da von Ihnen denken?“
„Nein, nein! Das meine ich nicht! Ich freue mich nicht! Ich wollte nur sagen, daß es eine sehr interessante Geschichte ist. Wer hat ihn denn entführt?“
„Die Bonne. Sie hatte sich an den Juwelen der gnädigen Gräfin vergriffen und sollte bestraft und entlassen werden. Aus Rache entfernte sie sich mit dem jungen Grafen.“
„Diese schlechte Person!“
„Man hat jahrelang nachgeforscht, aber ohne Erfolg.“
„Wie schlimm! Gab es denn kein Erkennungszeichen?“
„O doch!“
„Was für eins?“
Seine Augen waren mit fast fieberhaftem Glanz auf den vermeintlichen Schweden gerichtet.
„Hm! Mehrere! Die Bonne nahm verschiedenes Geschmeide der Gräfin mit. Sie hat es jedenfalls verkaufen müssen. Danach suchten wir. Und noch heute suche ich alte Schmucksachen, um vielleicht eine Spur zu finden.“
„So suchen Sie wohl auch bei mir? Heute, hier?“
„Natürlich!“
„Und wenn sich nun etwas fände?“
„So wäre das ein großes Glück für Sie.“
„Für mich? – Wie soll ich das verstehen?“
„Der Graf zahlt jedem, durch dessen Hilfe er seinen Sohn wiederfindet, eine halbe Million Kronentaler aus.“
„Eine halbe Mil –“
Das Wort blieb ihm vor Entzücken im Mund stecken.
„Million!“ ergänzte seine Frau, die ebenso außer sich war, wie er.
„Herr Zebaoth! Wer eine Spur hätte!“
„Ich wünsche es auch.“
„Haben Sie sich das gestohlene Geschmeide gemerkt?“
„Natürlich!“
„Gab es außerdem kein Erkennungszeichen?“
„Hm! Außer einer Kette wohl nicht.“
„Eine Kette? Was für eine?“
Er trank mit seinen gierigen Augen die Antwort förmlich von dem Mund des Barons.
„Eine dünne, goldene Kette“, antwortete dieser.
„Hatte sie kein Kennzeichen? Man bekommt sehr oft solche Ketten zu Gesicht und zum Kauf angeboten.“
„Es hing ein Herz daran.“
„Ein Herz? War es hohl? War es ein Medaillon?“
„Nein.“
„War denn nichts daran zu bemerken?“
„Es waren darauf die Anfangsbuchstaben des Namens des Kindes eingegraben.“
„Rebekkaleben! Rebekkaleben!“ jubelte der Alte.
„Was ist? Was haben Sie?“ fragte der Baron, der ein scheinbares Erstaunen zur Schau trug.
Der Jude faßte sich. Er sah ein, daß er klug, sehr klug handeln müsse. Darum antwortete er:
„Nichts ist, gar nichts! Ich interessiere mich nur für diese Erzählung, welche wie ein Roman klingt. Sagten Sie nicht, daß der Knabe Robert geheißen habe?“
„Ja.“
„Robert von Holmström! Da müßte also auf dem Herzen ein R und ein H gestanden haben?“
„Ein R.v.H. ist's gewesen. Aber mir scheint, Sie fühlen mehr als ein gewöhnliches Interesse! Ist Ihnen vielleicht im Laufe der Zeit etwas aufgefallen oder wohl gar in die Hände gekommen?“
„Nein. Ich weiß nichts. Ich kann mich auf gar nichts besinnen. Aber ich habe gekauft einige alte Geschmeide, welche ich nicht habe wieder verkauft, sondern ich habe sie geschenkt Judith, meiner Tochter. Ich werde
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