62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen
mit, ganz natürlich! Wir wenden dieses Rollenburg um und treten es zu Schanden wie einen Ameisenhaufen!“
„Aber Geld, Geld!“
„Geld habe ich bei mir mehr als genug, um in das Nest zu gelangen. Und sollte es nicht ausreichen, sollten wir dort mehr brauchen, so telegraphiere ich an den Fürsten.“
Da bot sich der Fremde an:
„Meine Herren, ich stelle Ihnen gern meine Börse zur Verfügung. Ich interessiere mich natürlich ganz ungemein für diesen eklatanten Fall!“
„Danke sehr, danke sehr, Herr Ankerkron!“ antwortete Robert. „Ich bekomme, so viel ich haben will, telegraphisch nachgeschickt.“
„Und Sie wollen fort, wirklich fort?“
„Natürlich! Mit dem nächsten Zug!“
„Dieser geht um fünf Uhr ab. Sie haben kaum noch eine halbe Stunde Zeit!“
„Dann fort, fort!“ drängte Fels.
„Herr Ankerkron“, sagte Bertram, „Sie haben uns heute einen großen Dienst erwiesen, und vielleicht will es das Schicksal, daß ich Ihnen zu noch größerem Dank verpflichtet werde. Verzeihen Sie, daß wir uns Ihnen jetzt nicht länger widmen können! Wir müssen fort; aber wir kennen ja gegenseitig unsere Adressen und werden uns also ganz sicher wiedersehen!“
Er gab ihm die Hand, legte ein Geldstück für den Punsch auf den Tisch und ging. Fels war ihm bereits vorangestürmt, ohne Abschied von dem Schweden zu nehmen.
Draußen stiegen sie in eine Droschke. Auf dem Bahnhof angekommen, löste Robert die Fahrkarten, und dann begaben sie sich in das Wartezimmer.
Dort saß, auf denselben Zug wartend, Petermann. Sie sahen ihn, ohne ihn zu beachten. Sie hatten keine Ahnung, daß er von den gleichen Rachegefühlen wie sie ganz nach demselben Ziel getrieben werde. –
Als sie vorhin die Restauration verlassen hatten, war der Schwede mit lauschendem Ohr dem Geräusch ihrer Schritte gefolgt. Dann schnippte er mit dem Finger, klatschte in die Hände und sagte zu sich selbst:
„Gelungen! Prächtig gelungen! Diese Verkleidung ist exzellent! Gut, daß ich erfuhr, in welchem Zimmer dieser Dichterling seinen Punsch trinkt, den der Fürst bezahlt! Und wie vortrefflich, daß dieser Fels bei ihm war! Jetzt sausen sie hin nach Rollenburg und rennen sich die Köpfe ein. Wehe diesem Seidelmann! Der Mechanikus sticht ihn nieder, wo er ihm begegnet!“
Er ging einige Male mit triumphierenden Schritten auf und ab; dann fuhr er fort:
„Also die Kette, die ich haben muß, hat er selbst nicht mehr! Sie ist ihm vertauscht worden. Aber von wem? Ich durfte natürlich nicht nach dem Namen fragen; das hätte Verdacht erregen können. Aber genug habe ich dennoch erfahren. Ein Jude ist's gewesen, der ein einziges Kind hat, ein Mädchen, ungewöhnlich schön. Das ist sicherlich keine andere als diese Judith, Salomon Levis Tochter. Sie liest gern und hat sich in diesen Hadschi Omanah verliebt. Sie hat die echte Kette behalten, um sie ihm nur dann zurückzugeben, wenn er verspricht, sie zu heiraten. Das sieht dieser verteufelten Hexe vollständig ähnlich. Und dieser alte Graubart, ihr Vater, will sich im Ruhm eines Dichters sonnen; dafür gibt er bereitwilligst seine zusammengeraubten Goldstücke hin. So kenne ich ihn, und so beurteile ich ihn. Aber noch bin ich da! Ohne Kette ist mir dieser Robert, der mein verstorbener Cousin ist, ganz ungefährlich. Ich muß sie haben; ich muß sie auf alle Fälle bekommen. Diese Judith muß sie mir geben, und zwar heute abend noch, nicht gezwungenerweise, sondern ganz freiwillig. Wenigstens zeigen muß sie sie mir. Und dann wird sich finden, was ich weiter tue. Noch nie bin ich so vortrefflich verkleidet gewesen wie heute. Man kann mich unmöglich erkennen; ich tue am besten, ich suche sofort den Juden auf!“
Er begab sich nach der Wasserstraße. Es war noch nicht ganz fünf Uhr, aber der Tag hatte sich doch bereits zur Rüste geneigt, und die Straßen und Gassen der Residenz wurden bereits von Laternen erleuchtet. Das Haus des Juden war, wie gewöhnlich, verschlossen. Er klopfte, und die alte Rebekka öffnete. Sie leuchtete ihn mit der Lampe an, und da sie einen fremden Menschen vor sich zu haben glaubte, fragte sie:
„Wer sind Sie? Was wollen Sie?“
„Ist Salomon Levi zu Hause?“
„Salomon Levi, mein Mann? Ob er ist zu Hause? Das weiß ich nicht; das kommt darauf an, was für ein Geschäft will machen der Herr mit uns?“
„Das wird sich finden. Noch weiß ich selbst nicht, was ich für ein Geschäft machen werde.“
„Der Herr muß aber doch wissen, was er kommt, wünschen
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