62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen
und begehren zu kaufen von uns?“
„Ich bin Altertümler.“
„Welche Art von Altertum sucht der Herr bei uns?“
„Ich kaufe besonders gern alte Münzen, Schmuck und Geschmeide, vorausgesetzt, das es echt ist.“
„Schmuck und Geschmeide ist zu haben bei uns stets nur echt. Will der Herr haben die Güte, einzutreten?“
„Also Ihr Mann ist zu Hause?“
„Bei Schmuck und Geschmeide, wenn es sein soll echt, ist er niemals ausgegangen. Kommen Sie!“
Sie öffnete die Tür zu dem Gewölbe und führte den Fremden sodann in das hintere Zimmer, in welchem sich der Jude befand. Dieser hörte den Wunsch des Käufers und begann ihm allerlei vorzulegen.
Dieser Fremde war natürlich kein anderer, als der Baron Franz von Helfenstein. Er kaufte einige Kleinigkeiten, ließ sich aber, um Zeit zu gewinnen, immer mehr und mehr zeigen.
Der Jude wurde neugierig, wer sein Besucher sei. Er konnte sich über ihn nicht klarwerden. Darum fragte er:
„Der Herr sind wohl nicht von hier?“
„Nein.“
„Ich habe ihn auch noch nie gesehen. Sie waren noch nie hier?“
„Früher einige Male.“
„Sie sprechen die Sprache wie ein Ausländer.“
„Das bin ich auch. Ich bin ein Schwede.“
„Aus Schweden? Ich habe sehr gern dieses Land.“
„Warum?“
„Weil die Schweden haben Namen, welche genannt zu werden verdienen sehr poetisch.“
Der Jude glaubte, sehr geistreich gewesen zu sein, obgleich er eigentlich doch nur mit dem Zaunpfahl gewinkt hatte. Der Baron lächelte und antwortete:
„Zum Beispiel?“
„Löwenstierna.“
„Also Löwenstirn. Weiter!“
„Oxenstierna.“
„Also Ochsenstirn. Das nennen Sie poetisch?“
„Warum nicht? Ist ein Ochse nicht poetisch und sogar sehr lyrisch und dramatisch, wenn der Händler und Fleischer verdienen an ihm viel Geld?“
„Sie haben von Ihrem Standpunkt aus sehr recht.“
Der Alte guckte den Fremden pfiffig von der Seite an und fragte, nach seiner Meinung sehr diplomatisch:
„Haben der Herr auch einen poetischen Namen?“
„Vielleicht.“
„Dann möchte ich ihn sehr gern hören.“
„Ich heiße Ankerkron.“
„Ankerkron? Dieser Name ist auch poetisch. Er klingt sogar episch und wie ein Gedicht von Schiller oder Jean Paul. Sie haben große Kenntnisse der Steine, Perlen und Münzen. Sind Sie Altertümler von Beruf?“
„Nein, mehr aus Liebhaberei.“
„So sind Sie eigentlich etwas anderes?“
„Ich bin der Verwalter der großartigen Besitzungen des Grafen von Holmström.“
Der Jude fuhr vor lauter Respekt empor.
„Habe ich doch noch nicht gehört, daß es in Schweden gibt so reiche Grafen, Herr Ankerkron.“
„Oh, es gibt dort ebenso große Grundbesitzer, wie in Rußland, Österreich, Ungarn oder Galizien. Mein Herr ist der größte des Landes. Schade, daß seine Reichtümer dem Fiskus anheimfallen werden.“
„Dem Fiskus? Ich habe nie geliebt diesen Fiskus. Er will haben alles, mag aber geben nichts. Warum fallen ihm diese Güter anheim?“
„Weil die Familie ausstirbt.“
„Sind nicht da Kinder oder Enkel, Neffen oder Nichten?“
„Nein.“
Der Jude gehörte zu denjenigen Leuten, welche vor nichts so großen Respekt zeigen, wie vor dem Reichtum. Dieser schwedische Graf Holmström ging ihm gar nichts an; aber er hörte, daß er reich sei, und so wollte er mehr von ihm hören. Außerdem glaubte er, den Fremden durch die Fortsetzung des Gesprächs länger halten zu können. Vielleicht kaufte er in diesem Fall noch etwas. Darum fuhr er fort:
„Hat der Graf nie gehabt Kinder?“
„O doch!“
„Wohl nur eine Tochter, bei der nichts gilt das Fideikommiß, oder wie genannt werden muß dieses Ding?“
„Nein“, antwortete der Baron einsilbig.
„Also einen Sohn?“
„Ja, einen einzigen.“
„Einen Erben! So ist er gestorben?“
„Nein.“
„Aber wenn er nicht ist gestorben, so muß er doch erben das Vermögen?“
„Er ist schlimmer als gestorben; nämlich er ist verlorengegangen.“
„Gott Abrahams! Ein Grafenkind verlorengegangen!“
Auch Rebekka schlug die Hände zusammen.
„Leider!“ meinte der Baron, der den Alten auf dem Weg sah, auf welchen er ihn haben wollte.
„Das klingt geradeso, wie es zu lesen ist in Büchern oder zu sehen auf der Bühne, fünfzig Kreuzer den dritten Rang, Seitenloge! Hat sich verlaufen das Kind?“
„Wohl nicht!“
„So ist es geworden gestohlen?“
„Auch nicht.“
Der Baron antwortete mit Absicht so einsilbig. Dadurch wurde die Neugierde der beiden Alten nur noch mehr
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