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62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen

62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen

Titel: 62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Seine Verlegenheit war auf das äußerste gestiegen. Noch lag der Hundertguldenschein auf dem Tisch, wohin ihn Arndt gelegt hatte. Wilhelmi schob ihn fort und sagte:
    „Sie geben so viel Geld und sind doch nur einer, der andere unglücklich macht.“
    „Jetzt sind Sie es, der sich irrt. Ich bin zwar Polizist, aber ich komme nicht als solcher, sondern als Privatmann zu Ihnen. Ich will nicht Ihr Unglück, sondern Ihr Glück. Ich will Ihnen meine Hand bieten, um von dem Waldkönig loszukommen, der Sie immer tiefer in das Verderben führt.“
    „Herr, wer sagt Ihnen, daß ich zum Waldkönige gehöre, und daß ich wünsche, von ihm loszukommen?“
    „Mein Auge. Ich sehe Ihnen an, daß Sie kein Pascher, kein Verbrecher sind; sie arbeiten Ihrer kranken Familie wegen des Nachts; Sie sind ein braver Mann!“
    „Gott sei Dank!“ seufzte der Musterzeichner. „Der Herr im Himmel weißes, daß Sie recht haben.“
    „Nicht wahr? Dennoch kommt der Waldkönig zu Ihnen. Er will Sie bestricken; er will Sie zu seinem Sklaven machen. Vielleicht sind Sie ein brauchbarer Mann, und er kommt nun, um Sie zu verleiten oder gar zu zwingen, für ihn zu arbeiten. Nicht?“
    „So ist es, ganz nur so!“
    „Ich dachte es mir. Ich sehe es Ihnen an, daß Sie erschrecken und ängstlich sind; ich will die Sorge von Ihnen nehmen. Ich nehme an, daß Sie meinen Namen kennen. Wenn ich Ihnen denselben nenne, werden Sie sich beruhigen.“
    „Ich kenne keinen Namen eines Polizisten aus der Hauptstadt.“
    „O doch! Den Namen des bekanntesten Geheimpolizisten haben auch Sie gehört. Oder waren Sie noch nicht dabeigewesen, wenn vom Fürsten des Elends gesprochen wurde?“
    Wilhelmi fuhr empor. Sein Gesicht erheiterte sich, und sein Auge leuchtete freudig auf.
    „Vom Fürsten des Elends?“ sagte er. „Herr, ja, von dem habe ich gehört, und nach ihm sehne ich mich.“
    „Sehnen? Warum?“
    „Weil er der einzig richtige Mann wäre, das zu tun, wovon Sie vorhin sprachen, nämlich uns zu befreien von dem Waldkönig. Ich habe erst heute von ihm gesprochen.“
    „Zu wem?“
    „Zu meinem Bruder. Ich hatte mir ausgesonnen, wie ich es anfangen wollte, mit dem Fürsten des Elends einmal sprechen zu können.“
    „Ah! Wie wollten Sie das anfangen?“
    „Er ist einmal bei dem hiesigen Pfarrer gewesen.“
    „Ich weiß das. Er hat da eine arme Familie unterstützt.“
    „Und die Kinder dieser Familie zu einem gewissen Hauser hier tun lassen. Ganz gewiß erkundigt er sich einmal nach diesen Kindern. Und wo wird er das tun? Entweder bei Hausers oder bei dem Pfarrer.“
    „Das steht allerdings zu erwarten.“
    „Darum wollte ich den Pfarrer und den alten Hauser bitten, mich zu erwähnen, wenn er einmal zu ihnen kommt.“
    „Hm! Nicht übel ausgedacht, obgleich es nicht nötig ist.“
    „Warum nicht nötig?“
    „Weil er bereits bei Ihnen ist.“
    Da schlug der Musterzeichner die Hände zusammen und fragte:
    „Wie? Wäre es die Möglichkeit? Sie, Sie selbst sind der Fürst des Elends?“
    „Ja, ich!“
    „Herrgott, ich danke Dir! Noch heute war davon die Rede, daß man sich auf den lieben Gott verlassen könne; ich wollte daran zweifeln, nun aber sehe ich, daß es wahr ist!“
    Er eilte hin zu seiner Frau, kniete neben ihr nieder und schrie ihr in das von Pocken verstopfte Ohr:
    „Der Fürst des Elends ist da! Hörst du? Der Fürst des Elends!“
    Sie mochte ihn doch so leidlich verstanden haben, denn sie legte die dick verschwollenen Hände zusammen und machte eine Bewegung, als ob sie sich erheben wolle.
    „Lassen Sie die arme Frau!“ sagte Arndt. „Es tut ihr jede Bewegung weh.“
    „Aber meine Schwiegermutter muß ich holen! Das erlauben Sie mir doch?“
    „Warum diese?“
    „Sie wird sich freuen, als ob sie im Himmel wäre! Und das hat sie verdient.“
    „Wo ist sie?“
    „Sie liegt ganz oben unter dem Dachfirst. Da schläft sie!“
    „So warten Sie noch. Jetzt möchte ich mit Ihnen allein sprechen. Sie wissen nun, wer ich bin. Ich frage Sie, ob Sie offen und wahr mit mir sein wollen.“
    „Gewiß, gewiß! Fragen Sie nur immerzu! Ich werde ganz ehrlich antworten.“
    „Wie sind Sie in den Dienst des Waldkönigs gekommen?“
    „In seinem Dienst stehe ich eigentlich nicht. Er hat mich durch Drohungen gezwungen, ihm zuweilen einen Brief zu besorgen.“
    „Gegen Bezahlung?“
    „Ja; er bezahlte einen Gulden.“
    „An wen gingen diese Briefe?“
    „Alle an denjenigen, an welchen auch der heutige adressiert ist.“
    „So, so! Hm!

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