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62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen

62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen

Titel: 62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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scheinbar unbemerkt – auf ein Thema, welches für ihn die Hauptsache war. Er hatte keine Ahnung, daß er von dem fremden Holzhändler aus der fernen Residenz vollständig durchschaut werden könnte.
    „Gibt es wirklich einen Hauptmann in der Hauptstadt?“ fragte er.
    „Ja, es gibt einen.“
    „Wer ist es?“
    „Ein großer Herr, ein Baron.“
    Der Alte erschrak; er hütete sich, diese Erkundigung fortzusetzen. Er fragte lieber:
    „Kennst du den Waldkönig?“
    „Ich kenne mehrere.“
    „Wo wohnen sie?“
    „Hier, in Obersberg, bei Schacht ‚Gottes-Segen‘ und an anderen Orten.“
    Es fiel ihm gar nicht ein, nach dem Namen zu fragen. Es wurde ihm angst und bange. Es war schwer, zu fragen, da ja der Fremde die Antworten auch bekam. Aber es mußte gewagt werden:
    „Wird hier an der Grenze geschmuggelt?“
    „Ja.“
    „Wann wieder?“
    „Heute.“
    „Zu welcher Zeit?“
    „Zwei Uhr nach Mitternacht.“
    Vater und Sohn blickten sich betroffen an. Eine solche Genauigkeit war großartig. Es gab keinen Zweifel: nur ein Geist konnte so antworten.
    „Wird es gelingen?“
    „Bei Verbrechen darf kein Geist antworten; auch ist es ihm da verboten, einen Namen zu nennen.“
    Das war dem Alten außerordentlich lieb. Wenn bei Verbrechen kein Name genannt wurde, so konnte er ja ohne alle Sorge seine Fragen aussprechen.
    „Was ist heute auf dem Kirchhof geschehen?“
    „Es wurde ein Grab geöffnet.“
    „Wer lag darin?“
    „Niemand.“
    „Wo ist die Leiche hin?“
    „Gestohlen worden.“
    „Von wem?“
    „Von einem Vater und seinem Sohn.“
    „Wohin wurde sie geschafft?“
    „In ein brennendes Schloß.“
    „Warum?“
    „Um sie mit einem lebenden Kind zu vertauschen.“
    Der Sohn hustete, um seinen Vater zu warnen; ihm schienen diese Fragen gefährlich zu sein. Doch der Alte fuhr fort:
    „Lebt der Besitzer dieses Schlosses?“
    „Ja, und auch der Eigentümer.“
    „Wer ist der Besitzer?“
    „Ein Baron.“
    „Und der Eigentümer?“
    „Jenes vertauschte Kind.“
    Es läßt sich gar nicht beschreiben, welchen Eindruck diese Antworten machten. Es wurde zwar kein Name genannt, doch waren sie so exakt, daß es dem Frager eigentlich hätte bange werden sollen. Dennoch fragte er jetzt weiter:
    „Lebt der Vater dieses Kindes noch?“
    „Nein.“
    „Woran ist er gestorben?“
    „An einem Rasiermesser. Er wurde ermordet.“
    „Wer war der Mörder?“
    „Ein Baron.“
    „Lebt dieser Baron noch?“
    „Ja.“
    „Wo?“
    „Heute hier, sonst in der Hauptstadt.“
    Es überlief den Frager und seinen Sohn eiseskalt. Das war wirkliche Allwissenheit! Aber da keine Namen genannt wurden, so konnte man es weiter wagen:
    „Wann geschah dieser Mord?“
    „Vor zwanzig Jahren.“
    „Wo?“
    „Ganz in der Nähe.“
    „Gibt es Mitwisser?“
    „Ja.“
    „Wen?“
    „Eine Zofe.“
    Es dauerte doch jetzt eine gute Weile, ehe die nächste Frage ausgesprochen wurde.
    „War das der einzige Mord an jenem Tage?“
    „Nein.“
    „Wer wurde noch ermordet?“
    „Ein Offizier.“
    „Von wem?“
    „Von einem Baron.“
    „Wo?“
    „Im Wald.“
    „Gab es auch hier Mitwisser?“
    „Ja.“
    „Wer sind sie?“
    „Ein Vater und sein Sohn.“
    „Gibt es Leute, die das wissen?“
    „Einen.“
    „Hm! Ah! Oh!“ hustete der Alte. „Wer ist dieser?“
    „Ein Försterssohn.“
    „War er mit in den Mord verflochten?“
    „Er wurde unschuldig verurteilt.“
    „Und er weiß von den beiden Mitwissern?“
    „Ja.“
    „So lebt er noch?“
    „Ja.“
    „Wo lebt er?“
    „Jetzt in einer Schenkwirtschaft.“
    „In welchem Land?“
    „Namen dürfen nicht genannt werden.“
    „Warum zeigt er den Schuldigen nicht an?“
    „Er hat seine Gründe.“
    „Warum nennt er diese beiden Zeugen seiner Unschuld nicht?“
    „Sie haben ihm Gutes getan.“
    „Haben sie noch Böses von ihm zu erwarten?“
    „Er will sie beschützen.“
    „Werden sie ihn wiedersehen?“
    „Sie sehen ihn.“
    „Wo?“
    „In dem Haus, in welchem er sich jetzt befindet.“
    „Was haben diese beiden heute vor?“
    „Eine böse Tat.“
    „Wird sie gelingen?“
    Jetzt horchte Arndt etwas länger nach der Seite hin und antwortete dann:
    „Die Auskunft wird verweigert, und der Geist hat sich entfernt!“
    „O weh! Warum denn?“
    „Weil Sie sich nur nach bösen Taten erkundigen. Sie haben sogar zweimal nach dem Gelingen eines Verbrechens gefragt. Der Geist ist zornig; er wird mir nicht sobald wieder Auskunft erteilen. Das hat man davon,

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