Sünden der Vergangenheit - McKenna, S: Sünden der Vergangenheit
Prolog
Gordon sah seine aufgezeichnete Seifenoper, während er wie nach jedem Job zur Entspannung seine Waffen reinigte, auch wenn er sie bei seinem heutigen Auftragsmord gar nicht benutzt hatte. Wann immer er die Augen schloss, trieben Bilder von blutüberströmten Leichen an ihm vorbei und erinnerten ihn an den erweiterten Suizid, den er an diesem Tag inszeniert hatte. Alberne Soaps funktionierten am besten, um seine überstrapazierten Nerven zu beruhigen.
Beruflicher Stress. Ein beschissener Nebeneffekt, aber er hatte gelernt, damit umzugehen.
Die heutigen Abendnachrichten hatten reißerisch die schockierende Geschichte des berühmten Kardiologen aus Seattle gebracht, der unter dem Druck seiner Arbeit zusammengebrochen war, seine wunderschöne Frau sowie die beiden jungen Söhne ermordet und anschließend seinem eigenen Leben ein Ende gesetzt hatte. Entsetzlich. Tragisch. Fast wären Gordon die Tränen gekommen.
Allerdings würde die zweite Teilzahlung seines Honorars sie sehr schnell trocknen. Alles in allem war es ein befriedigender Tag gewesen.
Als eine Schauspielerin schluchzend ihre bislang geheim gehaltene Schwangerschaft beichtete, griff er nach der Fernbedienung und spulte zu den Lokalnachrichten vor. Und das war der Moment, in dem er sie sah. Ein purer und völlig absurder Zufall.
Eine heiß-kalte Schockwelle durchlief ihn. Er hatte dieses perfekte Gesicht erst ein einziges Mal gesehen – vergrößert durch das Zielfernrohr eines Scharfschützengewehrs.
Gordon würde diese großen, versonnen blickenden Augen niemals vergessen. Sein Herz hämmerte wie wild.
Die Sendung war ein öder Beitrag über das Revitalisierungsprojekt in der historischen Altstadt von Endicott Falls. Ein forscher Moderator interviewte Gordons verschollenes Mädchen über ihren neuen Buchladen mit angegliedertem Café. Gordon griff zum Telefon und wählte. Seine Hände zitterten vor Aufregung.
Der Mann, der abnahm, verschwendete keine überflüssigen Worte. »Ja?«
»Ich habe das Mädchen gefunden. Das aus dem Mitternachtsprojekt-Desaster.«
Es trat eine verblüffte Pause ein. »Bist du dir ganz sicher?«, fragte sein gelegentlicher Arbeitgeber. »Nach fünfzehn Jahren? Sie war noch ein Teenager.«
Gordon verzichtete darauf, die beleidigende Frage zu beantworten. »Willst du herausfinden, wie viel sie weiß, bevor ich ihr das Licht ausblase?« Sein Blick schweifte über die üppigen Kurven seines verloren geglaubten Mädchens. »Ich werde sie verhören. Kostet nichts extra.«
Der andere Mann stöhnte. »Denk nicht mal daran, dich an ihr auszutoben. Das Ganze liegt Jahre zurück. Bring es einfach zu Ende. Aber sorge zuvor dafür, dass es eine polizeiliche Akte über sie gibt. Ein paar schmutzige Briefe, ein totes Haustier. Wenn du sie am Ende aus dem Weg räumst, wird niemand überrascht sein.«
Ha! Als müsste ihm jemand sagen, wie er seine Arbeit zu erledigen hatte. Gordon legte auf, spulte die Aufnahme zurück und studierte ihr Gesicht. Süß wie ein Gänseblümchen – zumindest wirkte sie so. Doch er kannte die Wahrheit. Sie war hinterhältig. Selbstsüchtig. Was sie ihm angetan hatte. War ihm einfach entwischt. Hatte sich ihm fünfzehn lange Jahre entzogen und seinen professionellen Ruf schwer beschädigt. Wie ein Geschwür brach stinkend und eitrig der Zorn in ihm auf. Er suhlte sich in dem heißen, brennenden Schmerz. Gab sich ihm hin. Seht euch nur dieses böse, verdorbene Mädchen an. Sie hatte all die Zeit über ihn gelacht und gedacht, dass sie ihn ausgetrickst und gewonnen hätte.
Selbstzufriedenes Miststück! Sie würde bald erfahren, wie sehr sie sich geirrt hatte.
Er fror das Bild ein und legte einen Finger an ihren Hals, zeichnete die lachende Sichel ihres verachtenswerten, rosafarbenen Mundes nach und stellte sich seine heiße Nässe vor. Die Elektrizität des Fernsehers knisterte an seiner Fingerspitze.
Das würde sehr amüsant werden.
1
Er hatte diesen Traum so oft, dass er einem Déjà-vu-Erlebnis gleichkam. Sein Zwillingsbruder Kevin saß auf dem Felsen hinter dem Haus und sah genauso aus wie kurz vor seinem Tod: einundzwanzig Jahre alt, sonnengebräunt, in abgeschnittenen Jeans und Flipflops. Aschblonde Haare, die er eigenhändig mit der Küchenschere gestutzt hatte. Sein Grübchen, das tief in sein Gesicht gemeißelt war, als lachte er über irgendeinen Insiderwitz, den Sean niemals verstehen würde.
»Du bist tot«, knurrte Sean. »Ist es zu viel verlangt, dass du endlich mit diesem Scheiß
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