62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen
Griff, dem er nicht widerstehen konnte.
„Sie sehen, daß Sie nicht allein der Starke sind!“ lachte Arndt. „Ich habe Sie nicht zu fürchten!“
„Mensch! Sie sind ein Teufel!“
„Nein, ich bin nur der Fürst des Elends; es ist meine Gewohnheit, die Leute ganz in ihrer eigenen Manier zu behandeln. Sie wollten von Güte nichts wissen, nun wohl, so habe ich mich wehren müssen!“
„Und meinen Sohn erschlagen!“
„Nein, er ist nur betäubt! Nach einiger Zeit wird er erwachen und keine Folgen spüren. Legen Sie ihn dort auf die Bank! Dann setzen Sie sich wieder zu mir. Ich habe mit Ihnen zu sprechen.“
Diese Worte und das ganze Auftreten des Sprechers machten einen unwiderstehlichen Eindruck auf den Schmied. Er untersuchte seinen Sohn, fand, daß derselbe unverletzt sei und ruhig atmete und trug ihn nach der Bank. Dann nahm er an dem Tisch Platz, vor sich hinknirschend:
„Gut, ich werde es versuchen! Aber treiben Sie den Spaß, um Gottes willen, nicht zu weit!“
„Keine Sorge! Ich bin jetzt in sehr ernster Stimmung.“
Er zog eine Zigarre hervor, steckte sie in Brand und sagte dann in freundlicherem Ton:
„Herr Wolf, ich habe gewisse Gründe, Ihnen freundlich gesinnt zu sein –“
„Davon merke ich nichts!“
„Lassen Sie mich ausreden! Ich bin heute in der allerbesten Absicht zu Ihnen gekommen.“
„Das wollen Sie mir weismachen? Und doch nennen sie sich den Fürsten des Elends!“
„Ich bin es auch!“
„Meinetwegen! Mich bringt das nicht zum Fürchten. Sie sind eben auch ein Mensch. Gut, daß ich Sie einmal sehe. Auf diese Weise werden wir uns klar.“
„Das ist eben mein Wunsch. Sie wandeln auf höchst gefährlichen Wegen, mein Lieber, und ich –“
„Was geht Sie das an?“ brauste der Alte auf.
„Gut, es soll mich nichts angehen; aber ganz unberücksichtigt darf ich es doch nicht lassen, wenn Ihr Weg sich mit dem meinen kreuzt. Also, ich wiederhole, daß ich in bester Absicht zu Ihnen komme –“
„Beweisen Sie es!“
„Das will ich ja! Geben Sie mir nur Zeit dazu!“
„Na, meinetwegen; reden Sie!“
„Man steht im Begriff, sie gerichtlich zur Rechenschaft zu ziehen, weil Sie –“
„Weshalb?“
„Sie unterbrechen mich abermals. Aber ich will Ihre Frage kurz beantworten: Weil Sie einst Brandt verurteilen ließen, obgleich sie seine Unschuld beweisen konnten, weil Sie den kleinen Baron Helfenstein stahlen, nachdem Sie an seiner Stelle eine Leiche verbrennen ließen, und weil sie drittens einer der Waldkönige sind.“
„Alles Unsinn, lauter Unsinn!“
„Pah! Sie waren im Wald und sahen, daß Franz von Helfenstein den Hauptmann erschoß; sie holten vor dem Brand des Schlosses die Leiche vom Gottesacker, und was den Waldkönig betrifft, so habe ich ja Ihre Unterschrift als Beweis in den Händen.“
„Sie reden wohl im Fieber? Wer kann mir beweisen, daß ich Zeuge des Mordes war? Wer war dabei, als die Leiche des Kindes gestohlen wurde? Und Ihre Unterschrift da, die ist gefälscht.“
„Mir können Sie das sagen, dem Untersuchungsrichter aber nicht.“
„Warum nicht? Gerade ihm erst recht würde ich es sagen!“
„Denken Sie, daß er es glaubt?“
„Ist das Ihre Sache?“
„Vielleicht doch! Aber ich bin nicht gekommen, um meine kostbare Zeit unnütz bei Ihnen zu verschwenden. Sie selbst wissen am besten, in welcher Lage Sie sich befinden. Ich will Ihnen Ihre Unterschrift zurückgeben, so daß Sie wegen des Paschens nicht belangt werden. Und ich sichere Ihnen die denkbar beste Beurteilung des anderen zu, wenn Sie mir dagegen zweierlei versprechen.“
„So? Ah! Was denn?“
„Erstens sagen Sie mir, wo der kleine Robert von Helfenstein hingekommen ist.“
„Und was zweitens?“ fragte der Schmied höhnisch.
„Sie bezeugen vor Gericht, daß der Baron Franz von Helfenstein damals den Hauptmann erschossen hat.“
„So! Weiter nichts?“
„Nein, weiter nichts.“
„Was? Damit wollen Sie sich wirklich zufriedengeben?“
„Mir genügt es vollständig.“
„Ei, ei! Was für ein genügsamer Mann sie sind!“
„Dieser Spott scheint Ihnen jetzt sehr billig, kann aber sehr leicht ganz ungeheuer im Preis steigen.“
„Meinetwegen, mag er teurer werden! Sie haben gesagt, was Sie wollen, und ich will Ihnen darauf meine Antwort geben.“
„Ich ersuche Sie sehr darum.“
„Schön! Zunächst habe ich mich wirklich vor dem sogenannten Fürsten des Elends ein wenig gefürchtet. Das ist nun vorbei. Heute sehe ich, daß er nicht nur ein
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