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62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen

62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen

Titel: 62 - Der verlorene Sohn 03 - Die Verlorenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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fühlte.
    „Allerdings noch nicht besser“, sagte er. „Sorgen Sie für Wärme.“
    Der Mann zuckte traurig die Achsel.
    „Wie steht es mit der Medizin? Sie scheint alle zu sein.“
    „Nein. Ich habe keine geholt.“
    „Nicht? Warum nicht? Ich habe das Rezept ausgefertigt und Ihnen befohlen, es in die Apotheke zu tragen!“
    Diese Worte waren im Ton eines Vorgesetzten gesprochen. Wilhelmi richtete seine Gestalt empor und fragte:
    „Befahlen?“
    „Nun ja. Oder sagen wir, ich habe es angeordnet.“
    „Das lasse ich gelten. Ich bin aber auch in der Apotheke gewesen, Herr Doktor.“
    „Nun?“
    „Ich bin dort bereits vier Gulden schuldig.“
    „So! Warum bezahlen Sie nicht?“
    „Weil ich kein Geld habe. Ich erfuhr, daß die neue Medizin anderthalb Gulden kosten werde –“
    „So wird es ungefähr sein.“
    „Ich wurde gefragt, ob ich fünf und einen halben Gulden mit habe. Ich hatte keinen Kreuzer in der Tasche.“
    „Ja, so ist es! Die Herren Pharmazeuten sollen ihre Waren immer auf Kredit geben.“
    „Da sagte man mir, daß ich die Medizin holen solle, sobald ich Geld habe. Das ist der Grund, daß ich sie noch nicht habe.“
    „Aber Mann! Die Medizin wird gebraucht!“
    „Das ist sehr wahrscheinlich! Aber ich habe kein Geld. Herr Doktor, Sie sind ja Knappschafts- und Armenarzt. Könnten Sie es denn nicht befürworten, daß die Medizin umsonst oder doch wenigstens auf Kredit erhalte?“
    Der Arzt zuckte die Achsel, lächelte überlegen und antwortete:
    „Ja, freilich kann ich das! Es ist sogar meine Pflicht, dies zu tun, mein Bester.“
    „Dann bitte ich recht herzlich um ihre Fürsprache!“
    „Gern, sehr gern! Aber haben Sie mit Herrn Seidelmann bereits darüber gesprochen?“
    Das Gesicht Wilhelmis verdüsterte sich, und seine Lippen preßten sich zusammen.
    „Ja“, antwortete er.
    „Was sagte er?“
    „Was er zu dem Schreiber Beyer gesagt hatte, als dieser wegen seiner kranken Frau mit ihm redete.“
    „Das weiß ich nicht auswendig.“
    „Er will es nicht leiden, daß seine Angestellten sich an den Armenarzt wenden.“
    „Das Recht dazu ist ihm nicht abzusprechen. Sie sind als Musterzeichner bei ihm angestellt.“
    „So mag er mich doch so bezahlen, daß ich mich nicht nach Unterstützung umzusehen brauche!“
    „Suchen Sie sich andere Arbeit!“
    „Ich habe nichts anderes gelernt.“
    „So zeichnen Sie für einen andern!“
    „Gibt es hier einen?“
    „Dann würde ich an Ihrer Stelle mich weiter wenden!“
    „Das geht nicht. Das Fortziehen kostet Geld, und ein anderer wird mir keine Arbeit geben. Dafür sorgt Herr Seidelmann!“
    Sein von der Not und Sorge fast abgezehrtes Gesicht hatte einen starren Ausdruck angenommen. Er war jedenfalls ein ganz braver Mann, aber unter den Erfahrungen, welche er gemacht hatte, war er verschlossen und verbittert geworden.
    „Nun, so entscheiden Sie!“ meinte der Arzt. „Soll ich Sie als Hilfsbedürftigen melden?“
    „Dann bekomme ich keine Arbeit mehr!“
    „Nun, so lassen Sie sich von Herrn Seidelmann einen kleinen Vorschuß geben!“
    „Den erhalte ich nicht. Er hat mir bereits zwei Gulden geborgt!“
    „Dann kann ich Ihnen auch nicht helfen! Wie steht es mit dem Essen? Ist Appetit da?“
    „Nicht nur Appetit, sondern sogar Hunger!“
    „Was haben die Kranken genossen?“
    „Seit vorgestern zwei solche Brötchen.“
    Er zog den Tischkasten auf und nahm ein hartes, altes Dreierbrötchen heraus.
    „Zwei? Vier Personen?“
    „Ja. Ich hatte nicht mehr.“
    „Sie haben ja noch eins!“
    „Mein letztes; weiter habe ich nichts. Es ist für heute. Jeden Tag ein Dreierbrötchen, in Wasser aufgeweicht.“
    „Hm! Und was speisen Sie?“
    Der Mann wendete sich ab und warf den starren Blick zum Fenster hinaus.
    „Nichts!“ sagte er.
    „Aber Sie müssen doch etwas essen!“
    „Eigentlich, ja. Ich werde noch die ganze folgende Nacht arbeiten. Morgen früh habe ich die Muster fertig und erhalte acht Gulden heraus. Dann werden wir einmal essen können.“
    Der Arzt schüttelte den Kopf.
    „Ich begreife solche Verhältnisse nicht“, sagte er. „Vierzehn Tage nichts, und dann auf einmal acht ganze Gulden! Es muß doch am Mangel an richtiger Einteilung, an Wirtschaftlichkeit liegen.“
    Er bückte sich zu dem neben der Frau liegenden Kind nieder.
    „Sapperment!“ sagte er. „Das ist ja tot!“
    Der Musterzeichner griff sich mit der Hand nach dem Herzen.
    „Ja!“ stieß er hervor.
    „Wann ist es gestorben?“
    „Vor zwei

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