64 - Der verlorene Sohn 05 - Jäger und Gejagte
Er machte es sich bequem, indem er sich auf den Teppich niedersetzte und nun das Kommende erwartete.
Es dauerte nicht lange, so kam der Baron in sein Arbeitskabinett. Ein Diener schien ihm zu folgen.
„Höre, Jean“, sagte der Baron. „Gegen zehn Uhr wird eine Person oder werden zwei Personen nach mir fragen, welche zum Arbeiterstand gehören. Der Grund ihrer Anwesenheit bezieht sich auf die Verwaltung eines meiner Güter. Sie werden vorgelassen, und du bringst sie mir hierher.“
„Sehr wohl, gnädiger Herr.“
„Jetzt ist's gut!“
Der Diener entfernte sich, und der Baron begann, in seinem Zimmer ruhelos auf und ab zu gehen.
So verging über eine Viertelstunde. Da hörte der Fürst harte Schritte; es öffnete sich eine Tür und die Stimme des Dieners erklang:
„Hier, gnädigster Herr, ist der Mann.“
„Gut. Kannst abtreten.“
Als der Diener die Tür hinter sich zugemacht hatte, hörte der Fürst den Eingetretenen sagen:
„Herr Baron, Sie werden –“
„Pst! Schweigen Sie!“
Der Baron trat an die Tür und lauschte. Dann öffnete er dieselbe leise und blickte hinaus, bevor er sie wieder verschloß. Dann sagte er:
„So, der Diener ist wirklich fort. Diese Menschen sind oft im höchsten Grad neugierig. Jetzt können wir reden.“
„Haben Sie meine Depesche erhalten?“
„Ja. Dort liegt sie. Aber, Mensch, was ist euch denn eingefallen, he!“
„Na, sollen wir noch länger stecken bleiben!“
„Nein. Aber zu morden braucht ihr doch nicht!“
„Es ging nicht anders.“
„Da liegt ein Extrablatt, welches nach dem telegraphischen Bericht alles bringt. Es herrscht eine fürchterliche Aufregung. Die Polizei des ganzen Landes ist auf den Beinen.“
„Wir auch.“
„Spotten Sie nicht, Wolf! Ihre Lage ist gefährlich genug!“
„Ganz und gar nicht. Ich bin bei Ihnen.“
„Sie denken, daß ich mich Ihrer abermals annehmen werde?“
„Ich denke es nicht bloß, sondern ich weiß es.“
„Sie sind es gar nicht wert.“
„Oho!“
„Nein. Als ich Sie aus Tannenstein fortschaffte, da hatten Sie nichts Eiligeres zu tun, als die Dummheit zu machen, sich in dem Kohlenwerk zu verstecken. Dort hat man Sie ganz einfach bei der Parabel genommen. Und wenn ich Ihnen heute forthelfe, wer weiß, welche Dummheit Sie dann wieder begehen!“
„Es wird nichts, gar nichts begangen. Es kann nur eins geschehen: Wir wandern aus.“
„Wohin?“
„Über das Meer.“
„Das geht nicht so leicht.“
„Es wird schon gehen. Wir verlassen uns auf Sie.“
„Erzählen Sie erst, wie es Ihnen in der Gefangenschaft gegangen ist!“
„Schlecht genug. Ich will gar keine lange Rede halten. Wir gestanden eben nichts und damit basta! Heute früh wurden wir zum ersten Mal zusammen vorgeführt; da drückte ich dem Aktuar die Gurgel zusammen, und mein Sohn machte ihn mit der Papierschere vollends stumm. Wir sprangen zum Fenster hinaus. Das ist alles, was ich zu erzählen habe.“
„Wie kamt ihr so schnell nach der Residenz?“
„Der Bergwirt hat uns hergefahren.“
„Ah, der! Der tut's aus alter Kameradschaft. Aber, weiß er, bei wem Sie jetzt sind?“
„Nein.“
„Er darf es nie erfahren. Wo haben Sie ausgespannt?“
„Im Goldenen Ring.“
„Da steckt auch Ihr Sohn?“
„Ja.“
„Aber, Mensch, wenn man euch nun erwischt.“
„Das tut man eben nicht. Wir lassen uns gar nicht sehen.“
„Wie ist das möglich?“
„Nun, der Bergwirt ist in den Hof gefahren. Wir steckten im Wagen unter dem Stroh. Dort steckt mein Sohn noch; ich aber habe mich heimlich davongemacht. Nun aber fragt es sich, was Sie uns raten.“
„Das ist freilich schwierig. Wie wollt ihr denn über das Wasser kommen?“
„Mit Ihrer Hilfe. Ich bin überzeugt, daß Sie uns alles geben, was wir brauchen.“
„So, so! Und was braucht ihr denn?“
„Geld, eine Verkleidung und falsche Pässe. Sie haben das alles, Herr Baron!“
„Hm! Wieviel Geld werdet ihr wohl brauchen?“
„Pro Mann zehntausend Gulden.“
„Mensch, sind Sie verrückt?“
„Nein.“
„Zwanzigtausend Gulden!“
„Ja, nicht mehr und nicht weniger.“
„Glauben Sie, daß mir das Geld zur Feueresse hereinfällt?“
„Nein; aber der Hauptmann und die vielen Waldkönige haben doch mit der Zeit sehr schöne Summen eingenommen!“
„Ihr seid auch gut bezahlt worden!“
„Was nutzt uns das jetzt? Was wir hatten, ist hin. Haus und Hof sind verloren! Kaufen Sie es uns ab.“
„Werde mich hüten!“
„Na, also! So wird wohl von den
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