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64 - Der verlorene Sohn 05 - Jäger und Gejagte

64 - Der verlorene Sohn 05 - Jäger und Gejagte

Titel: 64 - Der verlorene Sohn 05 - Jäger und Gejagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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bin nicht so dumm, mich einschließen zu lassen. Ich wäre dann allen möglichen Fährlichkeiten ausgesetzt. Nein, den Schlüssel geben Sie mir. Ich schließe von innen zu. Damit basta!“
    Er riß ihm den Schlüssel aus der Hand und schob ihn hinaus. Draußen warnte der Apotheker noch:
    „Aber saufen Sie mir meinen Branntwein nicht!“
    „Keine Sorge! Ich habe keine Lust, mich durch Ihr Gift um das Leben zu bringen.“
    Aber als er die Tür verschlossen hatte, füllte er sich doch das Glas und trank es wieder aus.
    „Mehr aber nicht!“ sagte er dann zu sich. „Das Zeug ist so scharf wie Oleum, und ich brauche heute abend meine Gedanken nötiger als an irgendeinem Tag meines Lebens. Ich habe zwar noch großen Appetit, aber ich muß nüchtern bleiben.“
    Er lehnte sich an das Faß und schloß die Augen. Er war ermüdet und verfiel sehr bald in eine Art von Halbschlummer, so daß ihm der Maßstab für die Zeit entging, welche verfloß, bis er draußen auf der Kellertreppe Schritte hörte. Es klopfte leise.
    „Wer ist draußen?“ fragte er.
    „Ich, Horn! Ich bringe ihn!“
    Jetzt öffnete er. Der Apotheker stand mit dem emeritierten Kantor draußen. Der letztere sagte zum ersteren:
    „Gehen Sie hinauf, und stehen Sie Wache! Was wir beide hier sprechen, ist für uns.“
    Horn ging hinauf; der Sprecher trat in den Keller, schloß die Tür von innen zu und ließ dann seinen Blick musternd auf den Riesen fallen, welcher mit erhobener Lampe vor ihm stand.
    Bormann erkannte den Hauptmann nicht.
    „Herr, ich habe Sie noch nie gesehen“, sagte er.
    „Wirklich nicht?“
    „Nein. Ich würde mich besinnen, denn ich habe ein sehr gutes Gedächtnis.“
    „Das bezweifle ich. Warum schicken Sie nach mir?“
    „Weil ich hörte, daß Sie den Hauptmann kennen.“
    „Das ist richtig.“
    „Wissen Sie also, wo er zu treffen ist?“
    „Ja.“
    „Und glauben Sie, daß ich noch heute abend mit ihm sprechen kann?“
    „Ganz gewiß!“
    „Wo ist er zu treffen?“
    „Hier.“
    „Schön! Und wann?“
    „Gleich jetzt!“
    „Gleich jetzt? Sapperment! Das soll doch nicht etwa heißen, daß der Hauptmann in der Nähe ist oder –“
    „Oder –? Was?“
    „Oder daß Sie selbst es sind?“
    „Das letztere ist richtig. Ich bin es. Ihr Gedächtnis ist also nicht so sehr gut, wie Sie denken.“
    „Na, die Verkleidung ist ausgezeichnet!“
    „So? Ich denke, daß ich stets gut verkleidet gewesen bin. Aber Bormann, was fällt Ihnen denn eigentlich ein, sich nach der Residenz zu wagen!“
    „Ich kann sein, wo ich nur will, so ist's ein Wagnis!“
    „Hier aber das größte!“
    „Das mag sein. Wie es scheint, ist Ihnen meine Anwesenheit nicht lieb, sondern ärgerlich!“
    Er sagte das im Ton des Vorwurfs. Der Hauptmann jedoch antwortete beruhigend:
    „Im Gegenteil! Ich freute mich, als ich hörte, daß Sie da sind. Ich habe Verwendung für Sie.“
    „Ist's lohnend?“
    „Sehr.“
    „Wann erhalte ich Arbeit?“
    „Das ist unbestimmt.“
    „Das kann mir nichts helfen. Ich brauche Geld. Ich bin gekommen, es mir zu verdienen. Ich brauche es gleich und kann nicht ewig warten.“
    „Wozu brauchen Sie es?“
    „Donnerwetter! Zum Leben natürlich!“
    „Das weiß ich! Aber ein Wort werden Sie doch anhören müssen: Wie können Sie denn solche Dummheiten machen, da oben in Brückenau!“
    „Na, das ist vorbei; davon wollen wir jetzt nicht sprechen. Ich bin nicht hier, um mir Vorwürfe machen zu lassen. Brauchen Sie mich, oder brauchen Sie mich nicht?“
    „Ich brauche Sie.“
    „Gut! Wozu?“
    „Setzen wir uns, da verhandelt es sich besser.“
    Sie nahmen auf zwei Schemeln Platz. Der Hauptmann nahm zwei Zigarren hervor, gab Bormann eine davon, und als beide in Brand gesteckt waren, fragte er:
    „Wissen Sie, wem Sie die Geschichte da oben in Brückenau eigentlich zu verdanken haben?“
    „Ja.“
    „Nun, wem?“
    „Dem Fürsten des Elends.“
    „Richtig! Wie wäre es, wenn Sie ihm eins auswischten?“
    „Sapperment, wenn ich das könnte! Ich würde es mit dem größten, mit dem allergrößten Vergnügen tun!“
    „Sie können es.“
    „Aber dann müßte man wissen, wer er ist.“
    „Ich weiß es.“
    „Alle Teufel! Wer?“
    „Lassen wir das jetzt noch! Es ist möglich, daß ich mich doch irre. Bis jetzt ist es eine Vermutung, welche allerdings alles für sich hat. Sagen Sie mir zunächst, wo Sie sich unterdessen herumgetrieben haben.“
    „Jenseits der Grenze. Es war ein Schandleben. Zu Trinken gar nichts, und

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