64 - Der verlorene Sohn 05 - Jäger und Gejagte
befreien, werde ich mir Mühe geben, denn er bezahlt mich gut. Um aber Sie zu befreien, würde ich mein Leben wagen. Das ist der Unterschied!“
„Hm! Fast möchte ich glauben, was Sie sagen!“
„Glauben Sie es! Ich durchschaue jetzt Ihre Lage. Sie sind in Bedrängnis. Sie spielen Ihren letzten und größten Trumpf aus. Ist es so oder nicht?“
„Ja.“
„Also richtig! Gelingt es diesem Trumpf, so ist alles gut. Gelingt es nicht, so steckt man Sie ein und macht Ihnen den Prozeß. Dann gibt es für Sie nur zweierlei: den Tod oder die Flucht. Das letztere ist natürlich das bessere.“
Der Hauptmann blickte sinnend vor sich nieder. Er wollte sein Geheimnis nicht preisgeben und sagte sich doch, daß es wohl besser sei, mit diesem Mann aufrichtig zu sein.
„Übrigens“, fuhr Bormann fort, „würde ich doch jedenfalls erfahren, daß Sie der Baron sind!“
„Ja, Sie haben recht!“
„Also Aufrichtigkeit!“
„Gut! Aber Sie schwören mir, verschwiegen zu sein!“
„Ich schwöre es!“
„So will ich Ihnen zugestehen, daß ich der Baron bin.“
„Das freut mich. Nun können Sie doppelt und zehnfach auf mich rechnen. Gehe es, wie es gehe, hier meine Hand: ich werde Sie auf keinen Fall sitzenlassen!“
„Ich glaube es. Es ist so, wie Sie vermuten. Ich spiele va banque; das heißt, ich setze alles auf einen Trumpf. Man vermutet, wer ich bin; man will mir an den Kragen. Ich habe einen Plan, die Feinde zu verderben. Gelingt es, so ist es gut, gelingt es nicht, so ist es aus, so oder so. Es ist die Möglichkeit, daß ich ergriffen werde, und in diesem Fall verlasse ich mich auf Sie.“
„Ich hole Sie heraus.“
„Gut! Ich zahle Ihnen mehr als Fünftausend!“
„Das spornt doppelt an! Also die Schlüssel bekomme ich heute?“
„Ja.“
„Sind Sie denn bei Kasse?“
„Gewiß.“
„Die wird man Ihnen nehmen.“
„Die bekommt man nicht. Ich verstecke sie heute.“
„Doch nicht in Ihrem Palais?“
„Fällt mir nicht ein! Übrigens werden wir, sobald Sie mich herausgeangelt haben, einen Streich ausfuhren, der uns Millionen einbringt.“
„Donnerwetter!“
„Es handelt sich um Juwelen.“
„Da mache ich mit. Hier in der Residenz?“
„Ja.“
„Bei einem Juwelier?“
„Nein. Bei einer Dame, welche vorübergehend in einem hiesigen Hotel wohnt.“
„Dann ist's ja kinderleicht!“
„Freilich! Die Schlüssel habe ich bereits.“
„Da möchte man vor Freude gleich ‚Hurra‘ rufen! Doch, damit wir die Hauptsache nicht vergessen: Glauben Sie, daß man, wenn man Sie arretiert, Sie in ein hiesiges Gefängnis steckt?“
„Ganz gewiß! Wohin sonst?“
„Aber in welche Zelle?“
„Das ist die Schwierigkeit. Ich müßte Ihnen ein Zeichen geben!“
„Das geht schwer an.“
„O nein. Wenn wir ein bestimmtes Zeichen besprechen und eine genaue Zeit, so ist's sehr leicht.“
„Wie zum Beispiel?“
„Wenn es mittags zwölf Uhr vom Dom den letzten Schlag tut, halte ich die beiden Hände an das Gitter.“
„Wie nun, wenn man Sie fesselt?“
„Man wird doch nicht!“
„Oder Sie in ein Gefängnis steckt, über dessen Fenster ein sogenannter Kasten ist.“
„So wäre mein Zeichen freilich nicht zu sehen.“
„Auch darf ich mich am Tag nicht auf die Straße wagen.“
„Das ist dumm! Vielleicht aber finden Sie einen Helfer?“
„Das ist möglich.“
„Ihr Falschmünzer vielleicht?“
„Ich werde sehen.“
„Auf alle Fälle aber sehen Sie sich vor! Wenn Sie einmal an die Arbeit gehen, muß sie auch gelingen, sonst ist dann alles verloren.“
„Ich werde möglichst vorsichtig sein. Bin ich aber einmal drinnen im Gefängnis, so gehe ich auch nicht ohne Sie fort, und sollte ich Krethi und Plethi umbringen.“
„Nicht zu toll, Bormann. Ist's hier in der Hauptstadt zu schwer, so geht es anderswo.“
„Kommen Sie auch an andere Ort?“
„Ganz gewiß. Natürlich immer den Fall angenommen, daß man mich wirklich arretiert. Der Gang der Untersuchung erfordert es, daß man mich an verschiedene Orte transportiert, zum Beispiel nach Tannenstein und Brückenau. Wenn Sie das erfahren könnten!“
„Ich werde sehen. Lieber aber wollen wir hoffen, daß dies alles nicht nötig ist.“
„Besser wäre es! Also wir sind einig?“
„Ja. Aber hundert Gulden heute.“
„Das versteht sich. Ich habe sie zwar nicht mit; aber ich werde sie holen.“
„Und hierher bringen?“
„Nein. Sie gehen mit. Haben Sie noch eine Frage?“
„Nein. Die Sache liegt ja so, daß wir jetzt
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