65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell
Journalistentribüne war zum Ersticken besetzt. Reporter standen auf allen Treppen und alle anliegenden Straßen waren mit Menschen gefüllt.
So ging es Tag um Tag. Die Verhandlung dauerte über sechs Wochen. Dann wurde das Urteil gesprochen.
Am meisten Aufsehen erregte es, als man erfuhr, daß der Hauptzeuge und zugleich derjenige, der alles entdeckt hatte, nämlich der Fürst von Befour, eigentlich der vor über zwanzig Jahren unschuldig verurteilte Gustav Brandt sei. Ihm wurde eine geradezu fieberhafte Teilnahme gewidmet, und wo er sich sehen ließ, drängten sich die Menschen an ihn, nur um ihn zu sehen. Er hatte alle Verhüllung abgelegt und zeigte sein natürliches Gesicht, so daß der Fürst von Befour gar nicht mehr in ihm zu erkennen war. Übrigens wußte man, daß er das Fürstentum Befour in letzter Zeit an Frankreich verkauft und auf Titel und Rang eines Fürsten verzichtet habe. Er wollte wieder Brandt heißen, da nun die Ehre dieses seines Namens wieder hergestellt war. Freilich sollte er viele, viele Millionen für sein Fürstentum erhalten haben.
Das sich über sehr viele Personen erstreckende Urteil lautete:
Der Baron Franz von Helfenstein, sogenannter Hauptmann und Waldkönig zum ehrlosen Tod durch den Strang. Der Sohn des Schmiedes Wolf wurde freigesprochen. Sein Vater hatte alles auf sich genommen.
Der Riese Bormann erhielt fünf Jahre Zuchthaus, der Jude Salomon Levi ebensoviel und dessen Frau zwei Jahre, Judith, ihre Tochter, erhielt ein Jahr Gefängnis.
Herr August Seidelmann, der Fromme, wurde zu zwanzig Jahren Zuchthaus verurteilt, und diejenigen, welche an seinem Mädchenhandel teilgenommen hatten, erhielten ebenso ihren Lohn. Der Apotheker Horn mußte auch nach Rollenburg, ebenso Jakob Simeon und sein früherer Gehilfe Mehnert, dessen Geliebte Hulda das gleiche Schicksal traf, während die dicke Jette ihres offenen Geständnisses wegen sich einer milderen Strafe erfreute.
Auch Doktor Mars erhielt seine Strafe. Er wurde für moralisch unfähig erklärt, seine Anstalt fort zu leiten, und mußte dieselbe aufgeben.
Die Leda wurde zu zehn Jahren, ihre Mutter zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt.
Herr Baumgart, der Direktor des Zirkus Real, wanderte für drei Jahre in das Zuchthaus, während sein Bruder, der Intendant, abgesetzt wurde und sich für mehrere Monate im Gefängnis umsehen durfte. Auch der Direktor der Claqueurs erhielt eine Gefängnisstrafe, während Herr Kunstmaler und Ballettmeister Arthur eine sehr ernste Verwarnung mit nach Hause nahm.
Alle Mitglieder der Bande des Hauptmanns waren entdeckt worden und jeder erhielt eine seiner Teilnahme angemessene Strafe. Auch Theodolinde von Tannenstein wanderte in das Zuchthaus. Man hat nie wieder etwas von ihr gehört.
Was nun die Baronin Ella betrifft, so war sie ihrem Vorsatz, sich an ihrem Mann zu rächen, treu geblieben. Sie hatte alles entdeckt und alles gestanden und damit manche Schwierigkeit aus dem Weg geräumt und in so manches Dunkel Licht gebracht. In Rücksicht auf dies ihr offenes Geständnis war sie zwar zum Tod verurteilt worden, doch war man überzeugt, daß der König sie begnadigen werde. Aber am Tag nach dem Urteilsspruch meldeten die Blätter, daß Baronin Ella tot sei. Sie hatte ein Fenster ihrer Zelle zerbrochen und sich mit einem Glassplitter die Pulsader geöffnet.
Ihr Mann, Baron Franz, wurde wirklich hingerichtet, und zwar öffentlich, auf dem Marktplatz, vor einer nach vielen Tausenden zählenden Volksmenge. Er starb einen schrecklichen Tod, wimmernd wie ein Kind, die Henkersknechte mußten ihn tragen, so schwach war er vor Feigheit und Angst.
Jetzt gab es Frieden und Ruhe im Land. In der Hauptstadt herrschte die vollste Sicherheit, und im Gebirge schien man das Paschen ganz verlernt zu haben.
Es war natürlich, daß die Personen, welche sich im Unglück zusammengefunden hatten, jetzt im Glück daran dachten, sich für immer miteinander zu vereinigen. Alle Welt wußte, daß Brandt, der Förstersohn, in kurzem die Baronesse Alma von Helfenstein heiraten werde. Wo aber würde die Hochzeit stattfinden? Das wußte Alma selbst noch nicht.
Sie hatte in dieser Beziehung dem Geliebten schon manche Frage vorgelegt, er hatte ausweichend geantwortet. Sie solle sich nur vorbereiten, in Beziehung auf ihre Toilette und alles andere, den Ort aber werde er selbst dann bestimmen.
So verging die Zeit. Eigentümlicherweise gab es jetzt recht viele Brautpaare, welche nicht wußten, wo sie die Hochzeit feiern sollten.
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