Die Feuerbraut
I.
Sie waren auf der Flucht.
Irmela hätte froh sein müssen, dass sie den anrückenden Feind hinter sich gelassen hatten, aber sie zitterte immer noch vor Angst. Obwohl sie das Ziel des Flüchtlingszuges kannte, war es ihr, als führen sie auf einen schwarzen Rachen zu, der sie alle verschlingen würde. Ihre böse Vorahnung mochte eine Folge des Streits sein, der den Aufbruch begleitet hatte, oder auch nur ein Ausdruck von Trauer und Verzweiflung. Nie hätte sie sich vorstellen können, ihre Heimat auf diese Weise verlassen zu müssen. Nach den langen Diskussionen, die ihr Vater mit den Nachbarn geführt hatte und denen eine heftige Auseinandersetzung gefolgt war, hatte sie zuletzt nicht einmal Abschied von den Menschen nehmen können, die nicht mitgenommen worden waren. Sie selbst hatte kaum Gepäck und würde, wenn die Schweden tatsächlich ihr Elternhaus besetzten, nicht mehr besitzen als das, was sie auf dem Leib trug und was in die kleine Reisekiste hineingepasst hatte, die auf dem Dach der Kutsche befestigt war. Aber das wenige würde sie auch noch verlieren, wenn die Mutter Gottes nicht ihren schützenden Mantel über sie und die anderen Flüchtlinge ausbreitete, damit die feindlichen Soldaten die Wagen nicht entdeckten.
Ziel der sieben Familien war, die Donaubrücke bei Neuburg zu erreichen, hinter der sie Sicherheit zu finden hofften. Doch nach allem, was Irmela über die Ungeheuer aus dem Norden gehört hatte, bezweifelte sie, dass das andere Ufer des Stromes ihnen tatsächlich Rettung bringen würde. Sie hatte ihren Vater sagen hören, es gäbe nur einen Weg, den ketzerischen Mordbrennern zu entrinnen, nämlich auf eines der Schiffe zu steigen, die die Donau abwärts ins Bayerische und bis nach Österreich fuhren.
Während Irmela sich an all das Schreckliche erinnerte, das überdie Schweden und ihre protestantischen Verbündeten erzählt wurde, klammerte sie sich an das Lederband an der Kutschenwand, damit sie nicht wieder den Halt verlor und gegen eine ihrer Mitreisenden prallte. Da die Fahrspuren nur aus Löchern zu bestehen schienen, schaukelte der Wagen stark. Offensichtlich wurde der Weg schlechter instand gehalten als die große Handelsstraße, die von Nürnberg über Roth und Hilpoltstein nach Ingolstadt führte und sich dabei ein ganzes Stück die Schwarzach entlangschlängelte. Diese hatte der Anführer des Zuges, auf den ihr Vater und dessen Nachbarn sich nach einem scharfen Wortwechsel geeinigt hatten, jedoch nicht einschlagen wollen. Anton von Birkenfels war ein erfahrener Veteran, der in mehr als einem Dutzend Schlachten unter dem großen Tilly gefochten hatte, und er war der Ansicht gewesen, die Schweden würden auf den großen Straßen vorrücken und ihre Zeit nicht mit den Karrenwegen verschwenden, die sich wie ein Netz zwischen Dörfern und kleinen Marktorten erstreckten. Aus diesem Grund hatte er bestimmt, der letzte Teil ihrer Flucht nach Neuburg solle über Konstein, Wellheim und Bergen gehen. Aber so kurz nach der Schneeschmelze bestanden die Wege aus mit Schlamm gefüllten Löchern, in denen die hoch beladenen Wagen immer wieder festsaßen.
Gerade war der Zug wieder ins Stocken geraten. Reichsfreiin Meinarda von Teglenburg, die mit dem im Range niedrigeren, aber einflussreichen Neuburger Hofrat Siegbert von Czontass verheiratet war, streckte den Kopf zum Fenster hinaus und zog ihn seufzend wieder zurück. »Steglingers großer Ochsenwagen ist schon wieder stecken geblieben. Wieso hat man ausgerechnet dieses Gefährt an die Spitze des Zuges gesetzt? Das Ding hätte ganz hinten fahren müssen.«
Walburga Steglinger, eine korpulente Frau knapp unter vierzig, schien die Worte der Freiin auf sich zu beziehen, denn sie stießeinen Laut aus, der Irmela an das Knurren eines gereizten Hundes erinnerte. »Wenn es nach mir gegangen wäre, wäre der Karren überhaupt nicht mitgenommen worden. Doch wie ich meinen Mann kenne, hat er auf niemand gehört und ist einfach losgefahren.«
Ehrentraud von Lexenthal, die ebenfalls wie ein Gepäckstück in die Kutsche gestopft worden war, schrie so laut auf, dass man es wohl bis zu dem Frachtwagen hören konnte. »Wenn wir nicht schneller werden, holen uns die elenden Ketzer ein! Sagt doch den Knechten, sie sollen den Karren von der Straße schieben!«
Irmela wies auf den Wald, der den Pfad zu beiden Seiten flankierte. »Die Bäume stehen zu dicht. Hier kann man den Ochsenkarren nicht beiseite schaffen.«
Damit hatte sie recht. Der Weg war schmal,
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