7 Science Fiction Stories, Eine Anthologie der Berühmten, 2te Folge
Die Menschen lebten in den Klippen, um dem Eis und dem Feuer zu entgehen. Nur bei Sonnenaufgang und Sonnenuntergang konnte man die Lungen mit der süßen, nach Blumen duftenden Luft vollpumpen. Und dann brachten die Höhlenvölker ihre Kinder in das steinige Tal. Bei Sonnenaufgang taute das Eis zu Bächen und Flüssen, bei Sonnenuntergang kühlte sich der Brand des Tages ab. In den kurzen Zeiträumen der erträglichen Temperaturen lebten die Menschen außerhalb der Höhlen, sprangen, spielten, liebten. In den kurzen Zeiträumen meldete sich das Leben zu Wort. Pflanzen schossen aus dem Boden, Vögel durchschnitten den Himmel, Wild floh über die Klippen. Jeder versuchte während der kurzen Stunden das Leben einzufangen.
Es war ein unerträglicher Planet. Sim verstand das, Stunden nach seiner Geburt. Das Vermächtnis seiner Rasse wurde ihm bewußt. Hier in den Höhlen würde er sein Leben verbringen, außer den beiden Stunden am Morgen und Abend. Hier in den Steintunnels würde er sprechen, unaufhörlich mit seinem Volk sprechen, niemals schlafen, immer denken, auf dem Rücken liegen und träumen – aber niemals schlafen.
Denn er würde nur acht Tage lang leben.
Die Brutalität dieser Erkenntnis! Acht Tage. Acht kurze Tage. Es war falsch, unmöglich und doch eine Tatsache. Selbst im Schoß seiner Mutter hatte ihm eine fremde Stimme gesagt, daß er rasch geformt und in das Licht der Welt gestoßen wurde.
Die Geburt war schnell wie ein Messerstoß. Die Kindheit zuckte wie ein Blitz vorbei. Jünglingszeit, Mannesalter waren ein Traum, Reife ein Mythos, Alter eine unausweichliche Realität und der Tod die schnell erreichte Endstation.
In acht Tagen würde er halbblind wie sein Vater dastehen, verschrumpelt und sterbend, und hilflos auf Frau und Kinder starren.
Das Heute war der achte Teil seines Lebens. Er mußte jede Sekunde auskosten. Er mußte sich die Gedanken und das Wissen seiner Eltern aneignen.
Denn in wenigen Stunden waren sie tot.
Es war alles so ungerecht. War das das ganze Leben? Hatte er nicht vor seiner Geburt von einem langen Leben geträumt, von Tälern, in denen nicht die Sonne brannte, sondern deren grüner Teppich von lauen Winden umfächelt war? Ja! Und wenn er es geträumt hatte, mußte etwas Wahres an seinen Visionen sein. Wie konnte er das lange Leben suchen und finden? Wo? Und wie konnte er eine so gewaltige Mission in acht flüchtigen Tagen durchführen?
Welches Geschick hatte sein Volk in diese Lage gebracht?
Wie durch einen unsichtbaren Drücker ausgelöst, sah er ein Bild. Metallkapseln, von einer fernen grünen Welt durch den Raum geblasen, im Kampf mit züngelnden Flammen. Sie stürzten auf diesen nackten Planeten. Aus ihren verbeulten Hüllen taumelten Männer und Frauen.
Wann? Vor langer Zeit. Vor zehntausend Tagen. Die Oberlebenden verbargen sich in den Klippen vor der Sonne. Feuer, Eis und Wasser vernichteten die Überreste der riesigen Metallkapseln. Die Opfer wurden durch Eis und Hitze hart wie das Eisen, das man geglüht und abgeschreckt hat. Sonnenstrahlungen brannten sie aus. Ihr Pulsschlag beschleunigte sich, auf zweihundert, auf fünfhundert, auf tausend. Ihre Haut wurde zäh, ihr Blut änderte sich. Das Alter kam mit Riesenschritten. Kinder wurden in den Höhlen geboren. Schneller und schneller. Wie die anderen Lebewesen dieser Welt gewöhnten sich die Schiffbrüchigen an den neuen Rhythmus, und ihre Kinder und Kindeskinder kannten nichts anderes mehr.
Das ist also das Leben, dachte Sim. Er sprach es nicht, denn sein Verstand kannte noch keine Worte, nur Bilder. Er trug die Bilder der Vergangenheit in sich. Irgendwann im Laufe der Zeit hatte sein Volk die Telepathie entwickelt. Durch sie wurde das Wissen um die Vergangenheit von Generation zu Generation weitergegeben. Sie war das einzige Geschenk dieses unerträglichen Planeten. Ich bin also der fünftausendste einer langen Reihe nutzloser Söhne, dachte Sim. Was kann ich tun, um nicht nach acht Tagen sterben zu müssen? Gibt es hier einen Ausweg?
Seine Augen weiteten sich. Ein neues Bild tauchte vor ihnen auf.
Hinter den Klippen lag auf einem niedrigen Berg eine unversehrte Metallkapsel. Ein Schiff, das dem Wasserfall und der Lawine getrotzt hatte. Es war verlassen, aber völlig intakt. Das letzte aus der Vielzahl der herabstürzenden Kapseln. Aber es war so weit weg. Und niemand befand sich darin, der Hilfe hätte bringen können. Auf dieses Schiff also mußte er seine ganze Hoffnung setzen, wenn er erwachsen
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